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14. April 2012
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Jungen gegen Mädchen, RTL

„Jungen gegen Mädchen“: Die Superpannenshow

Im Schnitt hocken 3,36 Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten der Bundesrepublik, als jeweils 200 Frauen und Männer nach ihrem biologischen Geschlecht getrennt im Studio einer neuen Gameshow platznehmen, die Frauen eingelullt von rosafarbenem Studiolicht, die Männer durch dominantes Blau in Szene gesetzt. Sie alle sind dem Ruf des heteronormativen Popkulturpatriarchen RTL gefolgt, der zur Revolution der liberalen Geschlechterordnung aufruft und sich Anachronismus in den Teletext geschrieben hat. Angeführt von Joachim Lambi (u.a. durch irgendeine Tätigkeit bei Let‘s Dance bekannt) nehmen Sänger Giovanni Zarrella (u.a. Teilnehmer der herrlich bissigen Beziehungssatire Jana Ina & Giovanni – Pizza, Pasta & Amore) und RTL-Komiker Mirco Nonsens Nontschew (u.a. als frecher Witzbold aufgetreten bei Frei Schnauze und Die dreisten Drei) Haltung vor dem tobenden Meer an Männern an. Rapper Das Bo hat nach dem Ende seiner Jurytätigkeit bei X Factor im vergangenen Jahr wohl irgendwie versäumt, sich von der RTL-Gehaltsliste streichen zu lassen und muss ebenfalls im Team Lambi antreten. Sie alle, die männlichen Zuschauer wie die vier tapferen Krieger, strahlen Härte, Disziplin, Kraft und Mut aus.

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Die tapferen Vier. © RTL

Diese Eigenschaften brauchen sie auch, denn die das vermeintlich „starke Geschlecht“ repräsentierende Frauenmannschaft ist fest entschlossen, sich im ungleichen Kampf gegen die Männer behaupten zu wollen. Lebensmüde treten Teamführerin Mirja Boes (u.a. bekannt dank einer lustigen Stand-Up-Nummer bei TV Total), Moderatorin Johanna Klum (ist ihrem Kollegen Mirco überlegen, weil sie u.a. schon einmal bei Frei Schnauze XXL mitwirkte), Tänzerin Isabel Edvardsson (hat sich einst für den Playboy ausgezogen) und Moderatorin Jana Ina Zarrella (Ehefrau von Giovanni Zarrella) an, um ihrerseits Stärke zu beweisen. Es ist ein hartes Duell zwischen zwei vollkommen verschiedenen Menschentypen, das RTL in einem Anflug von Understatement mit dem ironischen Projektnamen Jungen gegen Mädchen versehen hat. Doch es ist weit mehr als der Kampf zwischen Jungen und Mädchen, es ist nicht weniger als ein Kampf der Geschlechter, bei dem das siegreiche Team je nach Genitalbereich entweder Baumarktgutscheine oder Drogeriegutscheine im Wert der erspielten Summe erhält. Gewiss provokativ, aber eine zeitgemäße Notwendigkeit, schließlich haben viel zu viele Bürger Abstand von der empirisch einwandfrei belegten Wahrheit genommen, dass Männer vor allem Fußball schauen und Frauen am liebsten Schuhe kaufen gehen.

Angespornt von der spannenden monothematischen Ausgangssituation stürzen sich die Männer in die erste Fragerunde, um zu schätzen, ob Frauen lieber mit Hollywood-Schönling Orlando Bloom oder dem ganzen Kerl Daniel Craig ins Bett steigen würden; die Frauen müssen erraten, ob Männer bei einer Frau eher auf Busen oder Hintern abfahren. Auf welcher repräsentativen Umfrage die richtigen Antworten beruhen, wird nicht hinterfragt; das ist aber letztendlich auch egal, denn immerhin beweist RTL den Mut, so offen mit dem heikelsten aller Themen umzugehen. Explosive Situationen sind ebenfalls garantiert, denn das Ehepaar Zarrella nimmt ihre Beziehung mit gekonntem Zynismus auf die Schippe. Die spannende und bis dato unbekannte Konstellation aus unterschiedlichen prominenten Meinungsmachern lässt Jungen gegen Mädchen zu einem wahren Feuerwerk an Komik werden, die bisher keiner anderen RTL-Sendung anhaftete. Herzlich lachen die männlichen und weiblichen Zuschauer beispielsweise über Mirja Boes‘ Vorschlag, Joachim Lambi auf die stille Treppe zu verbannen – eine klassische und niemals ausgelutschte Hommage an Katharina Saalfranks außer-gewöhnliche Milieustudie Die Super Nanny (RTL, 2004 – 2011).

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Giovanni Zarrella verbeugt sich vor dem Manifest der Männlichkeit. © RTL

Doch es nicht alles Comedy, was bei RTL läuft. Auch brutaler Ernst hat seinen wohlverdienten Platz in der Show: Als die vier Männer für ihre 200 männlichen Artgenossen im Publikum und die ganze männliche Bevölkerung Deutschlands in einem finalen Kantersieg Baumarktgutscheine erspielen, erstarrt das plappernde Weibervolk. Die Realisierung, dass Joachim Lambis zu Beginn der Spiele aus-gerufener Spruch „Wir sind die Schöpfung himself“ Recht behalten sollte, trifft sie bis ins Mark. Und ein aufmerksamer Zuschauer mag sogar gehört haben, wie sich eine weibliche Verliererin erdreistet, dem Dogma der männlichen Überlegen-heit zum Trotz festzustellen: „Gute zwei Jahrhunderte Aufklärung für die Tonne.“ Dem möchte man nur entgegen schreien: Geh dir die Nägel lackieren oder Schuhe kaufen! Wir sind hier doch nicht im Kindergarten.

Jungen gegen Mädchen, nächste Folge am 5. Mai 2012 um 23:05 Uhr.

13. April 2012
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Sat.1, The Winner Is...

„The Winner Is…“: Muff von 30 Jahren

Deutsche Fernsehmacher haben ein Problem. Nicht nur speisen sie den gemeinen Zuschauer gerne mit uninspirierter Massenware ab, sie quetschen und komprimieren und recyceln diese Durchschnittsprodukte auch so lange, bis kein Tropfen Leben mehr in ihnen steckt und selbst der genügsamste Zuschauer beim Blick auf den sich stapelnden Müll das Weite sucht. So erging es den Gameshows und den Talkshows in den 90ern, den zahlreichen Kochsendungen und Aus-wandererformaten Anfang des neuen Jahrtausends und so ergeht es gerade den exaltierten Castingshows. Doch weil das deutsche Fernsehen ein wiederkäuender Komposthaufen ist, der in regelmäßigen Abständen bereits verdaute Fernseh-formate auskotzt und den Zuschauern zum Fraß vorwirft, bleibt nichts für ewig verschwunden. Und jetzt, wo Deutschland für Jahre gesättigt ist von all den aus- und rückwandernden Glücksrittern, den Problemfamilien und den singenden, tanzenden, kochenden, sich selbstdarstellenden Talenten, da tauchen sie wieder aus der Versenkung auf – die Gameshows.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen zockt mal modern angehaucht, mal tradiert festgefahren, hat aber auch keinen Quotendruck, ProSieben beschreitet mit Schlag den Raab, Elton vs. Simon und 17 Meter immerhin eindeutig zeitgemäße Pfade und Sat.1 versucht sich an Neuauflagen und Variationen bekannter Formate – mit eher mäßigem Erfolg. Die Zeiten der traditionellen Gameshows sind eben schon lange vorbei. Für Sat.1 ist das aber kein Grund, das manierierte Genre endgültig zu begraben: Die Münchener kombinieren das ausgelutschte Konzept der langatmigen Spieleshow nicht mit neuen Elementen, sondern mit der dahinsiechenden Idee der Castingshow, um – voilà – mit The Winner Is… einen nebulösen Zwitter zu erschaffen. Die erste Talent-Game-Show der Welt tritt an, die Fernsehwelt mit dem Besten beider Genres zu erobern und endlich wieder Freude in deutschen Wohnzimmern zu säen. Damit dieser Plan auch ganz bestimmt aufgeht, hat Sat.1 Traumhochzeit- und Der Millionendeal-Urgestein Linda de Mol aus der Versenkung geholt. Eine gute Wahl, ist doch die reizende Moderatorenlegende de Mol der einzige Bestandteil der Sendung, der den Laden zusammenhält.

Und zusammenzuhalten gibt es so Einiges: In acht Kategorien eingeteilt treten Kinder unter und über 14 Jahren, Solokünstler beider Geschlechter, Menschen über 40 Jahren, Gruppen, Familien und professionelle Musiker im Gesangsduell jeweils gegen einen Kandidaten der eigenen Kategorie an. Musikproduzent Mousse T. und 100 Zuschauer haben jeweils eine Stimme, die sie im Anschluss an beide Auftritte an ihren Favoriten vergeben. Bevor das Juryvotum aufgelöst wird, können die Kontrahenten einen Deal eingehen: Entweder scheiden sie aus dem Wettkampf aus und gewinnen 5000 Euro, oder sie vertrauen auf ihr Können. Geht einer der beiden den Deal ein, kommt der andere automatisch in die nächste Runde; nimmt kein Kandidat das Angebot an, entscheiden die Punkte über Sieg und Niederlage, der Geldpreis steht dem Verlierer dann aber nicht zu. Kritisches Abwägen der eigenen Leistung nebst einer gesunden Portion Selbstvertrauen sind also gefragt, um nicht leer auszugehen. Das Spielchen zieht sich mit mehreren Duellen pro Kategorie über besagte acht Rubriken und mehrere Gewinnstufen, bis im Finale die Gewinner aller Kategorien gegeneinander um eine Million Euro spielen.

So weit, so nett, so langatmig. Ein Duell pro Kategorie füllt bei acht Kategorien immerhin einen ganzen Abend, weil die Kandidaten selbstverständlich samt Familie und Schicksal angereist sind – und beide werden von Sat.1 mit der gleichen Ausführlichkeit bedacht. Ansonsten ist man nicht wählerisch; die Teilnehmerliste liest sich wie das Who‘s Who gescheiterter Castingexistenzen: Von Popstars über X Factor und Deutschland sucht den Superstar bis hin zu The Voice of Germany darf jeder mitmachen, egal ob er sich bei der Konkurrenz oder dem eigenen Sender bereits zum Affen gemacht hat. Dass Deutschland leergecastet ist, beweist dann auch die Kategorie Professionals, in der vergessene One-Hit-Wonder wie George McCrae oder Wonderwall-Sängerin Ela Paul die Haushaltskasse aufzubessern versuchen. Ein Geschmäckle bleibt da nicht aus. Und wer wie Queensberry nicht selbst singt, steht zumindest im Backstage-Bereich und drückt Däumchen – warum ProSiebenSat.1 die erfolglosen Popstars-Häschen ins Rampenlicht rückt, bleibt schleierhaft.

Ansonsten verläuft die Sendung recht ereignislos: Die Zeit des Fremdschämens im Castingpool ist glücklicherweise vorbei, die Kandidaten singen routiniert mehr oder weniger ausgeleierte Popkamellen und freuen sich bei kluger Selbst-einschätzung entweder über Geld oder ihr Weiterkommen. Bei den jungen Kandidaten halten die Eltern Händchen, bei den Volljährigen darf die Familie im Backstage regelmäßig egotäuschend No Deal! in die Kamera schreien. The Winner Is… bietet familienfreundliche Unterhaltung im Talar der großen, glitzernden, pompösen Samtagabendshows der 90er – von Sat.1 dummerweise am Mittwoch- und Freitagabend versendet. In seiner vollendeten Herzlichkeit und Unschuld, maßgeblich beeinflusst und gesteuert von Linda de Mol, kann man von The Winner Is… nicht erwarten, dass es den ungewollten Muff von 30 Jahren Privatfernsehen abzuschütteln vermag. Genauso wenig wie Sat.1 erwarten darf, dass das kaum mitreißende Format den Markt der Gameshows revolutionieren wird. Immerhin ging der Versuch aber nicht ganz in die Hose.

The Winner Is…, immer mittwochs und freitags um 20:15 Uhr auf Sat.1

13. April 2012
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Das Erste, Opdenhövels Countdown

„Opdenhövels Countdown“: Ein bisschen Raab im Ersten

Fünf Jahre lang war Matthias Opdenhövel nicht weniger als der Leibmoderator des großen Stefan Raab und führte souverän durch jede noch so hirnrissige Show des großen ProSieben-Gurus. Selbst das biedere Geplänkel im Vorfeld des Eurovision Song Contests 2010 hat er in annehmbare Fernsehunterhaltung verwandelt und sein Können als Moderationstalent bewiesen. Opdenhövels Abgang zur ARD hat vor allem die ProSieben-Show Schlag den Raab schwer getroffen, in der Opdenhövel als Mediator zwischen nervösen Kandidaten und dem stets verbissenen Raab als einziger die Nerven behalten konnte. Jetzt schlägt sich Raab mit Trashkönig Steven Gätjen herum (u.a. taff, Sommermädchen, Gülcans Traumhochzeit), während Opdenhövel sich im öffentlich-rechtlichen Paradies in der Sportschau und einer eigenen Gameshow vergnügt: Opdenhövels Countdown heißt die seltsame Mischung 100.000 Mark Show, Schlag den Raab und beliebigen anderen Spieleformaten.

Vier Kandidaten treten mit- und gegeneinander an, um insgesamt 100.000 Euro zu gewinnen. Gemeinsam füllen sie in verschiedenen Spielen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad den Jackpot, um sich dann in K.O.-Runden auf eigene Faust für die nächste Teamrunde zu qualifizieren. Team- und Einzelaufgaben wechseln sich ab, bis nur noch ein Kandidat im Spiel ist, der in einem Finalspiel um den Jackpot spielt. Eine alleinerziehende Mutter, ein Feuerwehrmann, die amtierende deutsche Weinkönigin und ein Dauerstudent sind die Kandidaten der ersten Stunde. Sie müssen Autos auf Waagen austarieren, Glühbirnen nach Ostfriesenart eindrehen, Wörter auf einer Buchstabenwand mit Bällen freiwerfen und Städte anhand stilisierter Wahrzeichen erkennen. Nicht viel Neues eigentlich für Opdenhövel, der bei Schlag den Raab ähnlich actionlastige Aufgaben wegmoderiert hat. Doch die Primetime im Ersten scheint den gestandenen Unterhalter mehr zu beeindrucken als ihm lieb wäre; steif plappert er gelernte Zoten in die Kamera und wird nicht ganz warm mit seiner neuen, eigenen Show.

Erst als er beim Glühbirnen-Spiel die Kiste mit den Lampen zerstört und vor einem Scherbenhaufen steht, wird Opdenhövel mit seiner neuen Rolle warm. Ganz ausreizen kann er seine Stärken allerdings nicht, denn die schnell geschnittene Show lässt kaum Raum für den Meister der Improvisation – die Zeit der stunden-lang überzogenen Marathonshows auf ProSieben ist eben vorbei. Sympathisch ist es aber dennoch, wie er die durchschnittlich interessanten Kandidaten durch die Show führt, die mit teils ziellos gesetzten Spielen alles andere als eine organisatorische Meisterleistung ist. Es bleibt Opdenhövel zu wünschen, dass er seinen Respekt vor dem großen öffentlich-rechtlichen Institut etwas zurückschraubt und sich mehr auf seine spontanen Unterhaltungsqualitäten verlässt statt vorgekaute Gags herunter-zureißen. Etwas Zeit bleibt ihm noch für diese Selbstfindung: Erst im Juli startet die Spielshow Brot und Spiele, in der sich Prominente in Anlehnung an die großen römischen Schaukämpfe im Amphitheater in Xanten messen werden – und das am Samstagabend. Und wenn diese Kür noch einen Ticken runder wird als die Pflichtveranstaltung Opdenhövels Countdown, hat die neue Allzweckwaffe der ARD seinen Soll geleistet.