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23. Februar 2012
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Germany's Next Topmodel, ProSieben

Die neue Unentschlossenheit der Heidi Klum

Heidi Klum sitzt blass und kraftlos in ihrem Jurysessel, vom Selbstbild der entschlossenen Geschäftsfrau und des dauergrinsenden Fernsehstars scheint sie in diesem Augenblick weit entfernt. Sie wirkt reichlich deplatziert mitten in einem Studio, das versucht, mit Industriecharme zu kokettieren und Klums Erfolgsshow Germany‘s Next Topmodel auf die nächste Stufe der Fernsehunterhaltung zu hieven. In blaues Licht getaucht, mit einem Wandgebläse aus Plastik im Hinter-grund und der Jury vor Augen, laufen Dutzende junge Frauen um drei Monate Fernsehpräsenz und die Chance auf den zweifelhaften Titel Germany‘s Next Topmodel. Sie sind wenige aus den vielen Tausend, die sich Jahr für Jahr bewerben und es in die Vorauswahl schaffen, aus der wiederum nur 25 Kandidatinnen in die zweite Runde einziehen dürfen.

ProSieben hat aufgerüstet für die siebte Staffel, um die Quotenpannen der letzten Jahre vergessen zu machen und um im Zweifel gegen Das perfekte Model (VOX) gewappnet zu sein, das erste Konkurrenzformat überhaupt seit Bestehen der Show. Ausnahmsweise betrifft das in diesem Jahr nicht die Jury um Heidi Klum, die mit Designer Thomas Rath und Modelagent Thomas Hayo in der gleichen Besetzung wie im Vorjahr antritt. Auch Jorge Hoche González als Laufstegtrainer strahlt wieder mit den Hoffnungen der Kandidatinnen um die Wette. Ein Vorteil, wie sich bereits zu Beginn der ersten Folge herausstellt, denn die sonst so dominante Patin der Talentschmiede scheint geistig abwesend, nickt bloß ab und an, gibt hier und da einen Kommentar ab – die Show schmeißen ihre drei Kollegen, von der Allmacht der Heidi Klum ist wenig zu spüren.

Da hilft auch der neue selbstauslösende Fotoapparat wenig, mit dem die Kandidatinnen sich ablichten sollen, um ihre Fotogenität zu beweisen: Ein interessantes neues Element, das dem Zuschauer die teils undurchsichtigen Juryentscheidungen zumindest ansatzweise näher bringen soll, verblasst ob der Vorhersehbarkeit. Denn echte Überraschungen gibt es nicht, es gilt die einfache Faustregel: Kandidatinnen, die in vorher gezeigten Einspielfilmchen einen Seelenstriptease hinlegen, sind weiter, die ohne fliegen raus. Elemente, die aus
The Voice of Germany (ProSieben), X Factor (VOX) und Deutschland sucht den Superstar (RTL) bestens bekannt sind. In den ersten zwei Stunden der ersten Folge lässt die Jury so eine Handvoll Jungmodels über den Laufsteg flanieren, danach wird im Schnelldurchlauf die große Masse durchgewunken, um die anschließende Präsentation einer Kollektion von Designer Guido Maria Kretschmer noch in die Sendezeit pressen zu können. Konsequent, denn das nichtvorhandene Interesse an den Kandidatinnen muss so gar nicht erst geheuchelt werden.

Da passt es auch prima ins Bild, dass Heidi Klum, sonst immer wort- und federführend, das Publikum über die Zukunft einer Kandidatin in der Show entscheiden lässt. Schlechte Voraussetzungen sind das für eine Castingshow, die ihren einstigen Glanz längst verloren hat und nun versucht, das Model aus Bergisch Gladbach stärker in den Vordergrund zu rücken: Es wird eine Heidi-Cam geben, die Klum in privaten Situationen ablichten soll – eine kluge PR-Strategie für eine Frau, deren Beziehungsprobleme einen lupenreinen Start der Hochglanzmaschinerie Germany‘s Next Topmodel zu überschatten drohten. Doch damit ist das Ende der Inszenierung noch nicht erreicht, denn altbekannte Muster in der Dramaturgie lassen die Neuerungen in puncto Show und Studio schnell vergessen: Die Reiche, die Schüchterne, die Aufmüpfige, die Angepasste sind bald gefunden, das Scheidungskind, die Umweltbewusste, das Schicksalskind samt Homestory abgebildet, die Dicke abgewiesen.

Die Konflikte sind vorprogrammiert und sehnlichst erwünscht, die immer gleichen Phrasen lassen die Kommunikation zwischen der selbsternannten Modelmama Klum und den despektierlich als Mädchen bezeichneten jungen Frauen zu einer Farce aus Plattitüden verkommen. Nicht viel Neues also für den Zuschauer – für ProSieben hingegen die Möglichkeit, überschüssige Sendezeit in taff und Galileo mit sinnlosem Inhalt zu füllen und endlich neue Folgen von red zu versenden, der profillosem Resteverwertung direkt im Anschluss. Die gesamte Oberflächlichkeit ist zurück und zumindest Kandidatin Sara hat erkannt: „Jedes Mädel, das hier hergeht und sagt, es ist nicht irgendwo mediengeil, das lügt. Und das trifft weniger auf die Mädchen zu als auf Jury, Designer und Fotografen, die Germany‘s Next Topmodel im siebten Jahr in Folge als Werbeplattform nutzen – nur mit deutlich weniger Schwung als in den ersten Staffeln.

Germany‘s Next Topmodel, ab dem 23. Februar 2012 immer donnerstags auf ProSieben

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