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13. April 2012
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Das Erste, Opdenhövels Countdown

„Opdenhövels Countdown“: Ein bisschen Raab im Ersten

Fünf Jahre lang war Matthias Opdenhövel nicht weniger als der Leibmoderator des großen Stefan Raab und führte souverän durch jede noch so hirnrissige Show des großen ProSieben-Gurus. Selbst das biedere Geplänkel im Vorfeld des Eurovision Song Contests 2010 hat er in annehmbare Fernsehunterhaltung verwandelt und sein Können als Moderationstalent bewiesen. Opdenhövels Abgang zur ARD hat vor allem die ProSieben-Show Schlag den Raab schwer getroffen, in der Opdenhövel als Mediator zwischen nervösen Kandidaten und dem stets verbissenen Raab als einziger die Nerven behalten konnte. Jetzt schlägt sich Raab mit Trashkönig Steven Gätjen herum (u.a. taff, Sommermädchen, Gülcans Traumhochzeit), während Opdenhövel sich im öffentlich-rechtlichen Paradies in der Sportschau und einer eigenen Gameshow vergnügt: Opdenhövels Countdown heißt die seltsame Mischung 100.000 Mark Show, Schlag den Raab und beliebigen anderen Spieleformaten.

Vier Kandidaten treten mit- und gegeneinander an, um insgesamt 100.000 Euro zu gewinnen. Gemeinsam füllen sie in verschiedenen Spielen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad den Jackpot, um sich dann in K.O.-Runden auf eigene Faust für die nächste Teamrunde zu qualifizieren. Team- und Einzelaufgaben wechseln sich ab, bis nur noch ein Kandidat im Spiel ist, der in einem Finalspiel um den Jackpot spielt. Eine alleinerziehende Mutter, ein Feuerwehrmann, die amtierende deutsche Weinkönigin und ein Dauerstudent sind die Kandidaten der ersten Stunde. Sie müssen Autos auf Waagen austarieren, Glühbirnen nach Ostfriesenart eindrehen, Wörter auf einer Buchstabenwand mit Bällen freiwerfen und Städte anhand stilisierter Wahrzeichen erkennen. Nicht viel Neues eigentlich für Opdenhövel, der bei Schlag den Raab ähnlich actionlastige Aufgaben wegmoderiert hat. Doch die Primetime im Ersten scheint den gestandenen Unterhalter mehr zu beeindrucken als ihm lieb wäre; steif plappert er gelernte Zoten in die Kamera und wird nicht ganz warm mit seiner neuen, eigenen Show.

Erst als er beim Glühbirnen-Spiel die Kiste mit den Lampen zerstört und vor einem Scherbenhaufen steht, wird Opdenhövel mit seiner neuen Rolle warm. Ganz ausreizen kann er seine Stärken allerdings nicht, denn die schnell geschnittene Show lässt kaum Raum für den Meister der Improvisation – die Zeit der stunden-lang überzogenen Marathonshows auf ProSieben ist eben vorbei. Sympathisch ist es aber dennoch, wie er die durchschnittlich interessanten Kandidaten durch die Show führt, die mit teils ziellos gesetzten Spielen alles andere als eine organisatorische Meisterleistung ist. Es bleibt Opdenhövel zu wünschen, dass er seinen Respekt vor dem großen öffentlich-rechtlichen Institut etwas zurückschraubt und sich mehr auf seine spontanen Unterhaltungsqualitäten verlässt statt vorgekaute Gags herunter-zureißen. Etwas Zeit bleibt ihm noch für diese Selbstfindung: Erst im Juli startet die Spielshow Brot und Spiele, in der sich Prominente in Anlehnung an die großen römischen Schaukämpfe im Amphitheater in Xanten messen werden – und das am Samstagabend. Und wenn diese Kür noch einen Ticken runder wird als die Pflichtveranstaltung Opdenhövels Countdown, hat die neue Allzweckwaffe der ARD seinen Soll geleistet.

07. März 2012
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Ein Bus voller Bräute, VOX

„Ein Bus voller Bräute“: Das rollende Bordell

Kalt und trist muss es sein, das Liebesleben von 20 Großstadtsingles, die sich im Bus durch acht deutsche Dörfer kutschieren lassen: Wenn VOX sich auf die Suche nach einem möglichst originellen Stückchen Nachmittagsunterhaltung begibt, kommt nicht viel mehr dabei heraus als Ein Bus voller Bräute, die gefühlt hundertste Kuppelshow im deutschen Fernsehen – die noch dazu vom skandi-navischen Format Babes on the Bus inspiriert ist. Das Konzept sieht vor, dass ein Haufen Singles durch Deutschland reist, mit reichlich Vorurteilen beladen in bayrischen Dörfern und ostfriesischen Küstenkäffern die einheimische Bevölkerung anbaggert und sich dabei verliebt. Was auf den ersten Blick als das frivole Gegen-stück zu manierierten RTL-Kuppelshows wie Bauer sucht Frau, The Bachelor oder Schwiegertochter gesucht scheint, reiht sich nach dieser freundlichen Erst-betrachtung umgehend in die lange Reihe genau dieser peinlichen Begattungsorgien ein. VOX bedient sich ausschließlich bereits erprobter Dramaturgie, z.B. in den Einspielfilmen und bei den stark nach Inszenierung riechenden Ersttreffen. Ohne Drehbuch würde sonst wohl kein normaler Mensch außer Reichweite einer Kamera sinnliche Massagen, Extremsport, Krabbenpulen oder Hypnose als probates Mittel zum ernsthaften Kennenlernen beim ersten Date wählen.

Doch Ein Bus voller Bräute hat noch mehr zu bieten, was bis auf den Bachelor keine Kuppelshow zu leisten vermag: Es lassen sich herrliche Zickenkriege unter den weiblichen Singles hervorrufen. Diese Gelegenheit lässt sich VOX natürlich ebenfalls nicht entgehen. Moderiert und angeführt wird die rollende Beziehungs-kiste von X Factor-Moderator Jochen Schropp, dem seine gerade erst aufgebaute Glaubwürdigkeit weniger wichtig scheint als das schnelle Geld. Zu tun hat er indes kaum etwas: Bis auf die üblichen Begrüßungs- und Abschiedsszenen bekommt der Zuschauer Schropp nicht zu Gesicht. Das ist auch besser so, denn bis auf Plattitüden und Vorurteile kommt dem Moderator wenig Sinnvolles über die Lippen – immerhin spricht Schropp nicht in Alliterationen. Viel besser als die Singlefrauen ist er aber nicht, denn auch die explizit auf der Suche nach Männern vom Land befindlichen Damen lassen so manche Merkwürdigkeit vom Stapel, die ein Schelm schnell als Eigenwerbung etikettieren würde.

Woher VOX den Glauben nimmt, dass noch irgendjemand im deutschen Fernsehen mit sexistischem Abwurf zu ködern sei, ist unergründlich. Viel mehr steckt aber leider nicht hinter diesem Format, denn auch die oberflächlichen Allgemeinplätze über die Suche  nach der echten Liebe können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bus voller Bräute mehr einem rollenden Bordell als einer Liebessuche gleicht – wenngleich sich die sexuellen Dienstleistungen vor der Kamera glücklicherweise auf Küsschen und Massagen beschränken. So spielt man im Fernsehen also echte Liebe. Ein Geschmäckle verursacht dann auch die Zweit-verwertung einer Kandidatin, die zuvor bereits bei Schwiegertochter gesucht um die große Liebe gebuhlt hatte – nicht zu vergessen auch die prominent platzierten Dialoge über Buchprojekte und Karriereträume. Zugutehalten kann man dem VOX‘schen Neuzugang, dass in der Beziehungsschmiede wenigstens keine unbedarften Menschen vorgeführt werden, sondern der Bus voller Bräute von den Kandidaten eher dazu genutzt wird, sich selbst zu inszenieren. Als ob das deutsche Fernsehen von solchen Shows nicht schon genug hätte, soll der Bus voller Bräute volle acht Wochen tagtäglich durch das Nachmittagsprogramm gurken.

Ein Bus voller Bräute, werktags täglich um 15:00 Uhr auf VOX

05. März 2012
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Sat.1, The Biggest Loser

„The Biggest Loser“: Schlanke Unterhaltung ohne Mehrwert

ProSieben und kabel eins haben ihr Fett schon wegbekommen, jetzt darf Sat.1 ordentlich schwitzen: Die bisher eher zuschauerschwache Abnehmshow The Biggest Loser läuft seit drei Jahren im deutschen Fernsehen und quälte Zuschauer und Kandidaten am Sonntagvorabend mit einer dreistündigen neuerlichen Fett-Weg-Runde. Auch in Staffel vier hat sich das Konzept der Sendung nicht verändert: 24 adipöse Kandidaten kämpfen in Zweierteams mit ihren Pfunde und um den Titel The Biggest Loser. In Challenges genannten Wettbewerben wird gegen die Kilos gebuddelt, gerannt, geschwommen und geradelt – das Team mit dem geringsten Gewichtsverlust fliegt am Ende der Woche aus der Sendung. Die typische Konkurrenzsituation wird angeführt von Kickbox-Weltmeisterin Dr. Christine Theiss, unterstützt von zwei Trainern und jeder Menge Einspielfilmchen. Die dienen in der Abnehmshow aber nicht zur Denuntiation der Kandidation, denn außer Allgemeinplätzen wie „Meine Mutter war auch dick“ oder „Ich war schon als Kind fett“ sowie unpassenden Bildunterschriften erspart sich Sat.1 glücklicherweise größere Leidensgeschichten – obwohl die Bezeichnung Zwitter für die intersexuelle Martina schon Entgleisung genug ist:

thebiggestloser-martina-sat1

© Sat.1

Allein dieser Ausrutscher macht die Show zum inhumanen Unterhaltungsspaß – doch sie degradiert ihre Glaubwürdigkeit mit weiteren groben Taktlosigkeiten: „Das ist eure allerletzte Chance im Leben“, konstatiert beispielsweise Theiss und verzapft damit nicht nur blühenden Unsinn, sondern handelt auch psychologisch höchst ungeschickt. Die schwergewichtigen Kandidaten, die sich nach jahrelangem Fressen ihrer Krankheit bewusst geworden sind, sich bei The Biggest Loser angemeldet haben und dann nach ein, zwei oder drei Wochen die Show ob schlechter Abnehmergebnisse verlassen müssen, können mit dieser Feststellung wohl kaum ermutigt werden, weiter an ihrem Gewicht zu arbeiten. Zweifelhaft auch, dass die Teilnehmer am Ende jeder Woche wie Schlachtvieh auf die überdimensionale Waage geführt werden und sich beim Wiegen ausziehen müssen, die Leibesmasse der Kandidaten selbst beim Training im Pool mit einer Unterwasserkamera gefilmt wird und wehender Bauchspeck in Zeitlupenaufnahmen die subtile Perversität des Formats unterstreicht – eine Dramaturgie, die nicht nötig gewesen wäre. Die kalorienarme Unterhaltung am Sonntagabend verkommt so zum billigen Voyeurismus, der keinen Spaß macht und viel zu sehr Show ist, als dass die Zielsetzung des Abnehmens im Vordergrund stehen würde.

Dementsprechend müssen die Zuschauer auf praktische Tipps als Mehrwert einer langweiligen Show verzichten. Sportlichen Ehrgeiz sollten Sat.1 und Konsorten in Zukunft also lieber wieder zwischen Kandidaten aufkommen lassen, bei denen die Lebensqualität nicht von einem Sieg in einer fragwürdigen Show abhängt – und bei denen ein körperliches Handicap nicht zum Wettkampf-mittelpunkt gemacht werden kann. Dann bleiben uns auch Tweets wie dieser in Zukunft erspart:

 

The Biggest Loser, sonntags um 17:00 Uhr auf Sat.1

05. März 2012
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Roche & Böhmermann, ZDFinfo

„Roche & Böhmermann“: „Die haben gerade die Sendung angehalten, die Schweine!“

Das ZDF bringt endlich Bewegung in den übervollen und doch so innovations-armen Talkshowmarkt. Jan Böhmermann, neben anderen Moderationstätigkeiten im Ensemble von Harald Schmidt, und Charlotte Roche, VIVA Zwei-Veteranin und Feuchtgebiete-/Schoßgebete-Wortdrechslerin, zelebrieren beim Spartensender ZDF.kultur die Auferstehung des Qualitätsfernsehens. Ihre gemeinsame Talkshow Roche & Böhmermann hat in einer Stunde geschafft, was die alte Garde im Talk-geschäft schon längst nicht mehr zu vollbringen mag: eine Gesprächssituation zu schaffen, in der die Gäste freiwillig diskutieren, ja sogar ernsthaft streiten. Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Laufstegtrainer Hoche, Rapper Sido, Moderatorin Britt und Berghain-Türsteher Sven Marquardt sind als Gäste dafür wenig ausschlaggebend, immerhin hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Vergangenheit schon oft vergeblich versucht, mit polarisierenden Individuen Quote zu machen – erst kürzlich war Sido gemeinsam mit Hassliebe Bushido bei Markus Lanz geladen. Das Geheimnis ist, dass Roche und Böhmermann nicht krampfhaft versuchen, Leben, Wirken und aktuelle Projekte zu vermarkten, sondern sich bewusst themenlos positionieren. Und dazu Whiskey kredenzen.

Ob Politik, Boulevard, Fernsehen oder Trash: Über alles wird gesprochen, über alles wird gewitzelt, hier und da über Banalitäten gestritten. Das geht nicht immer freundlich zu, ist dafür aber authentischer als die Demonstration krampfhafter Einheit – zumal für die große politische Thementalkshow eh andere zuständig sind. Dazu passt, dass Roche und Böhmermann zwar vor Publikum drehen, die Studio-zuschauer aber wortwörtlich im Dunkeln gelassen werden. Konsequent, schließlich gibt es keine Kulisse im eigentlichen Sinne, einzig Gäste und Moderatoren am Tisch sind zu sehen. Ein krasser Kontrast zur bunten Spielwiese von NeoParadise zwar, in der Minimalität aber eine deutliche Bekenntnis zu mehr Inhalt und weniger Drumherum. Gäste werden wie gewohnt in Einspielfilmen vorgestellt, die in alter Programmansagertradition verlesen werden und sich neben der gelungenen Wortakrobatik durch reine Bildmontagen von den turbulenten Videolebensläufen der Konkurrenz abheben. Der gewollte Hinterhofcharme wirkt dabei nicht billig und macht die Show zu einer einzigartigen Fernseherfahrung, die den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit, Krawall und Verbissenheit schafft. Dass bei Roche & Böhmermann auch dann geraucht werden darf, wenn Helmut Schmidt nicht zu Gast ist, versteht sich nur von selbst.

Schade, dass das ZDF Roche & Böhmermann auf ZDF.kultur versteckt und sich die Sendezeit mit der Jauch-Talkshow überschneidet. Wer diese Perle erstklassiger Unterhaltung aus genau diesem oder einem vollkommen anderen Grund verpasst haben sollte, klickt schnell auf das folgende Bild und sieht sich die gesamte Sendung in der Mediathek an. Schon jetzt ein Klassiker!

Roche & Böhmermann, sonntags um 22:00 Uhr auf ZDF.kultur

rocheundboehmermann_zdfkultur

© ZDF

03. März 2012
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DSDS, RTL

„DSDS“, 1. Mottoshow: Ein Selbstversuch

In ruhigen Momenten rede ich mir gerne ein, dass ich ein Mensch mit Geschmack bin und es als solcher meine Pflicht ist, schlechtes Fernsehen im Allgemeinen und Deutschland sucht den Superstar im Besonderen zu meiden. Nun ist das mit dem Geschmack aber so eine Sache: Die einen haben ihn, die anderen haben Schrankwände. Und Deutschland sucht den Superstar fällt definitiv in die Rubrik Schrankwand: In die Jahre gekommen, macht das einstige Aushängeschild von RTL nicht mehr allzu viel her, es versperrt hingegen sogar wertvollen Sendeplatz – trotzdem ist das mediale Monstrum in Millionen deutscher Wohnzimmer nicht kleinzukriegen. Komisch, denn ich konnte DSDS auch nach Jahren der Abstinenz kein Showelement abgewinnen, das den Erfolg rechtfertigen würde. Das Bühnenbild und die Produktion, die das Format seit jeher rein äußerlich ausmachen und einst eine bombastische Show suggerierten, stehen mittlerweile im Schatten deutlich besserer Kulissen bei X Factor oder The Voice of Germany, die interessanter, abwechslungsreicher und individueller sind als das erdrückende Blau aus Köln.

Der Unterhaltungswert ist auf den ersten Blick ebenfalls nicht ersichtlich: Die Kandidaten scheinen mehr synthetische Stereotype als echte Charaktere; sie verkörpern in normgerechter Kleidung ihre Rollen wie Statisten und singen nebenbei: Die Positionen der Aufsässiges, des Schwulen, der Schlagfertigen, des Bunten und der Süßen sind flach, beliebig austauschbar und nach spätestens einem Jahr mit neuen Superstar-Anwärtern besetzt, die die vorherigen Gesichter schnell vergessen lassen – eine äußerst kurze Halbwertszeit für angebliche Popstars, für die zehn besten Sänger Deutschlands. Die Jury ist ebenfalls kaum mehr als ein zusammengecasteter Haufen. Kann man über die Kompetenz Bohlens noch streiten, ist Bruce Darnell bloß Lieferant für Lacher und Zitate: Welche Eignung hat schließlich ein Laufstegtrainer und Choreograf, um über die musikalische Zukunft eines Kandidaten zu entscheiden? Dass Natalie Horler in die Jury passt, ist aber unbestritten; niemand in Deutschland hat schließlich dermaßen viel praktische Erfahrung mit rundgelutschtem Mainstream aus der bunten Musikeffektbox und platten Texten wie die Frontfrau von Cascada. My body’s aching / System overload / Temperature’s rising / I’m about to explode.

Und um nichts anderes geht es schließlich: Der Gewinner von DSDS soll Musik verkaufen, möglichst viel Musik für möglichst viel Geld bei kleinstmöglichstem Aufwand. Und unter welchem Namen dieses Geld reinkommt, ist letztendlich egal; RTL ist in der Position, jeden der zehn Kandidaten für kurze Zeit zu einem Star aufzubauen. Doch RTL will nicht jeden zum Star machen, und so wird der Gesang der ungeliebten und noch lange nicht bühnenreifen Kandidaten ungefiltert auf das Publikum losgelassen – während andere Kandidaten von Auto-Tune und der gesamten Trickkiste stimmverändernder Software zu profitieren scheinen. Eine Farce, die durch Moderator Marco Schreyl, schmierig, profillos und kein bisschen charmant, recht eindrücklich unter Beweis gestellt wird: Er hat es während der acht Jahre seiner Tätigkeit bei DSDS nicht geschafft, die immer gleiche Telefonnummer für die Zuschauerabstimmung auswendig zu lernen. Dafür hat RTL es geschafft, bei The Voice of Germany abzuschauen und die Telefonleitungen jetzt bereits am Anfang der Sendung zu öffnen. Das bringt schließlich noch ein bisschen mehr Geld in die Kassen.

DSDS ist mehr denn je ein perfides Kalkulationsgeschäft, das mit den Jahren nur noch schlimmer geworden ist. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu alt für sexistische Metaphern und rassistische Witze auf dem Niveau eines 16-Jährigen. Zu alt für den Fremdscham, wenn der dauergrinsende Zotenreißer Bohlen seinen Jurykollegen Bruce Darnell als „längste Praline der Welt“ bezeichnet und Schreyl einem Kandidaten das zweifelhafte Kompliment ausspricht, dass ihm „Millionen bei der Körperpflege gerne mal die Seife reichen“ würden. Für eine billige Anmoderation, die lieber ihre Zuschauer aus „Deutsch-, Öster- und Schweizland“ begrüßt als einen billigen Lacher zu verlieren. Für oberflächliche und vor Belanglosigkeit strotzende Einspielfilmchen. Für Schreyls dramaturgische Urteilsverkündung. Leid tun mir die Kandidaten, die sich diesem Spiel auch nach neun Jahren DSDS immer noch freiwillig aussetzen und nicht wissen, dass sie keine musikalische Zukunft erwartet. Sicher sind auch X Factor und The Voice of Germany nicht das Ultimo im sozialen Umgang mit Kandidaten, aber bei weitem besser produziert, langlebiger und ehrlicher als DSDS. Und dieses Gefühl zu vermitteln ist wichtig, denn es geht bei Castingshows schon lange nicht mehr nur um Musik – aber selten ging es so wenig nicht mehr nur um Musik wie bei Deutschland sucht den Superstar.

Wen es interessiert: Thomas ist in der 1. Mottoshow ausgeschieden. Der Thomas, der in seinem Einspielfilm unter Lachen der Zuschauer konstatierte: „Ich habe meinen freien Willen noch nicht verloren.“ Das wird er jetzt nicht mehr beweisen müssen. Ich freue mich für ihn.