GLOTZE.tv

01. März 2012
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Bambule, ZDFneo

„Bambule“: Straight Outta Madhouse

Die deutsche Fernsehlandschaft ist nicht nur Fernsehgarten und Deutschland sucht den Superstar, die deutsche Fernsehlandschaft ist seit zwei Jahren vor allem ZDFneo. Kein anderer Sender hat so viel getan für die gestrandeten Kreativen güldener Fernsehzeiten, die auf ihrem Weg vom autonomen Musikfernsehen zum Fernsehstar ohne Umwege in der Gosse landeten – also beim großen Privat-fernsehen mit Quotendruck oder bei den Öffentlich-Rechtlichen mit Rundfunkrat. Das mehr oder weniger jugendliche ZDFneo ist natürlich ebenfalls weisungs-gebunden, kann aber nur noch gewinnen: Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt sind mit ihrem MTV Home-Nachfolger neoParadise die Kritiker-lieblinge, Popliterat Benjamin von Stuckrad-Barre beeindruckt in seiner Stuckrad Late Night als schwitzender Sonderling, der Politprominenz ins Kneippbecken zwingt. Auch Sarah Kuttner will es nun noch einmal wissen: Nach Eurovision Song Contest-Moderation, den Sendungen Frau Kuttner & Herr Kavka (3sat) und Kuttners Kleinanzeigen (Das Erste) sowie zwei Romanveröffentlichungen zieht es das Mädchen vom Titelblatt wieder vor die Kamera.

Bambule soll „Trendscout, Personalityshow und Reportermagazin“ in einer halbstündigen Sendung vereinen, die „das Lebensgefühl der 20- bis 40-jährigen Großstadtbewohner und all derjenigen, die sich so fühlen“ reflektiert. Ein Magazin für Hipster also, die Stimme des Prenzlbergs, gar ein Intellektuellenporno? Vielleicht, doch das bringt dem Schrei nach Einzigartigkeit gerade mal einen Kratzer bei, tut der Originalität aber keinen Abbruch. Denn Kuttner bleibt Kuttner bleibt Kuttner, und mit Kuttner ist gemeinhin nicht gut Rucola auf Dinkelkeks essen: Sie will keine Identifikationsfigur für Bewohner gentrifizierter Altbauten sein (auch wenn sie das Potential dazu hat), lieber gibt sie sich aufsässig, unabhängig und provokant. Das Thema der ersten Sendung, Die neuen Männer, greift dann auch die im Fernsehen kaum beachtete Diskussion um ein neues männliches Rollenverständnis auf, das ausgehend von Nina Pauers Hetzjagd auf Die Schmerzensmänner hitzige Diskussionen in Blogs und auf twitter ausgelöst hat. Eine Steilvorlage und Bewährungsprobe, die Bambule bravurös gemeistert hat: Keine Emma-Stereotypen, keine Machofressen, sondern tatsächlich unvorein-genommene Menschen mit Ahnung und Chuzpe stehen Kuttner Rede und Antwort.

Die Überleitung zu einer Minireportage über Hooligans und Gewalt im Fußball gelingt auch dank spannender Interviewpartner, die Überleitung zu Johanna Maria Knothes Einsatz im Einspieler Sind Politiker schlecht gecastet? eher weniger, dröselt sich aber von hinten auf und erschließt sich im Gesamtkontext der Sendung – kein wesentlicher Kritikpunkt, zumal sich Detlef Out-of-It-Boy-D. Soost subtil durch den Kakao ziehen lässt. Ein Interview mit Schauspieler Lars Eidinger (u.a. Alle anderen, Hell) ist aber noch erbaulicher, seine Gedanken über Generations-modelle polarisieren. Das Zufallsportrait beleuchtet das spannende Leben des Illustrators Marko Djurdjevi?, der unter anderem für Marvel-Comics Titel designt – wie zufällig das Portrait entstanden ist, sei dahingestellt. Und allein für die Rubrik 154 Gründe, warum William Shatner die coolste Sau vielleicht aller Zeiten ist… hat Kuttner lebenslange Ovationen verdient. Es macht Spaß, Bambule in seiner Nonlinearität zu durchleben, zu sehen, wie sich aus Beiträgen neue Kategorien ergeben und neue Kategorien andere Beiträge beeinflussen. Der Verzicht auf Studio und Publikum ist ein Segen, denn das Spiel mit Typografie, Schlagzeilen und eingeblendeten Informationen bietet eine erfrischende Abwechslung zur immer gleichen Dramaturgie.

Einziges Manko: Kuttner ist keine geborene Interviewerin, Steilvorlagen lässt sie sausen, spannende Antworten bleiben so auf der Strecke. Das alles macht Bambule aber nicht weniger sehenswert, denn das Magazin nimmt die Zielgruppe in ihren Sorgen, Nöten und Neurosen ernst, lässt sich ein auf den alltäglichen Irrsinn und spricht Themen an, die interessieren. ZDFneo hat neben den auf Wahnsinn getrimmten Talkshows von Joko, Klaas und Stuckrad-Barre endlich ein Format im Programm, das erwachsen genug ist, um zu interessieren, das verspielt genug ist, um das Potential zu haben, jede Woche aufs Neue zu begeistern und das individuell genug ist, um gegen den Mainstream zu bestehen. Genau deswegen wird es ZDFneo mit der Hilfe von Bambule gelingen, den Schuhen des großen Bruders ZDF entwachsen – auch wenn Kuttner selbst niemals zugeben würde, ihren Teil dafür getan zu haben.

Bambule, donnerstags um 21:45 Uhr auf ZDFneo

01. März 2012
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Berlin Politix, ZDFinfo

„Berlin Politix“: Die wöchentliche Dosis Nachdenklichkeit

Klammheimlich hat ZDFinfo am frühen Mittwochabend sein neues Politmagazin Berlin Politix gestartet, das zwischen dem heute journal, Tages- und Wochen-zeitungen sowie zahlreichen Talkshows im ZDF als neue Form der Meinungs-bildung fungieren möchte: Nicht einmal 15 Minuten Sendezeit gönnt sich das Redaktionsteam wöchentlich, um aktuelle politische Themen aufzugreifen. Das reichte in der ersten Folge, um die Konflikte in der schwarz-gelben Koalition kritisch zu hinterfragen und den CDU-Abgeordneten Wolfgang Bosbach zum Interview zu bitten. Der hatte thematisch zwar nicht viel Neues beizusteuern, fand für die Misere aber deutliche Worte. Von vielen Journalisten gerne übersehen, bei Berlin Politix aber mit einem eigenen Beitrag bedacht wurde das Gauck-Bashing in sozialen Netzwerken: Das Ansehen des designierten Bundespräsident Joachim Gauck litt kurz nach Bekanntgabe seiner Nominierung vor allem ob falscher Zitate und aus dem Kontext gerissener Behauptungen, die über twitter verbreitet wurden. Grund genug, um zu fragen: Taugt das 140-Zeichen-Medium für politische Interaktion?

Die Schlusspointe liefert der renommierte Karikaturist Klaus Stuttmann, der sich dem europäischen Rettungsschirm für Griechenland annimmt. Geschmack-sache, aber definitiv ein gelungenes Pendant zum überstrapazierten Journalisten-kommentar. In kommenden Folgen sollen Stuttmanns Karikaturen deshalb als fester Bestandteil in die Sendung integriert werden. Dank Moderator Thomas Walde, dem stellvertretenden Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, und der unkonventionellen Aufmachung ohne kaltes Studio schafft es Berlin Politix, Akzente zu setzen und subtile Komik zu vermitteln, ohne in den Slapstick zu rutschen. Aktuelle Nachrichtensendungen zur Tagespolitik kann das Format gewiss nicht ersetzen, aber die pointierte Kontextualisierung politischer Zusammenhänge und der gewisse Hauch Gesellschaftskritik gefällt gerade deswegen. Mit Wortwitz und Schlagfertigkeit, aber ohne jemals die nötige Ernsthaftigkeit zu vernachlässigen, schafft es das neue Politmagazin, die wöchentliche Dosis Nachdenklichkeit zu liefern, die andere Magazine trotz deutlich längerer Sendezeit vermissen lassen. Ob das auf Dauer ausreicht, um Berlin Politix als festen Bestandteil der etwas anderen Nachrichtenvermittlung zu etablieren, wird sich noch zeigen. Spaß macht das Magazin auf jeden Fall.

Berlin Politix, mittwochs um 19:20 Uhr auf ZDFinfo

28. Februar 2012
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ZDF, ZDFzeit

Die Scherben der ZDF-Dokumentation: „Vorsicht Verschwörung!“

Eine Qualitätsoffensive wollte das ZDF am quotenschwachen Dienstagabend starten, der den Zuschauern mit wechselndem Programmschwerpunkt bisher kaum Profil bot. Mit Brisanz auf höchstem Niveau, komplexen Themengebieten, angesiedelt zwischen Wissenschaft und Boulevard, Bildern ungeahnter Qualität und einem Aktualitätsanspruch, der die Zuschauer in die Fassungslosigkeit treiben solle, umriss ZDF-Chefredakteur Peter Frey höchstpersönlich das Konzept der neuen Dokumentationsreihe ZDFzeit. Das hätte stutzig machen sollen, denn der stiefmütterlich behandelte Sendeplatz am Wochenanfang ist für Projekte derartiger Einzigartigkeit eher ungeeignet. Da trifft es sich gut, dass die Autoren von den großspurigen Plänen ihres Vorgesetzten gar nichts mitbekommen haben: Auf der Jagd nach verlorenen Schätzen, Geheimes Deutschland, Der Spion, den ich liebte – Die unheimliche Macht der Geheimdienste und Ein (fast) perfektes Verbrechen – Der ewige Wettlauf zwischen Gut und Böse sind die reißerischen Titel der ersten vier Ausgaben, die in einem kruden Genremix so ziemlich alle Themengebiete abdecken, die es auch in nächtliche N24-Reportagen schaffen würden – von Aktualität und gesamtgesellschaftlicher Relevanz sind diese Sendungen aber weit entfernt.

Den Bodensatz der Dokumentation hat das ZDF aber erst mit der fünften Folge erreicht: Vorsicht Verschwörung! titelt man und hat damit bereits den Stammtisch auf seiner Seite, schließlich stehen besonders Verschwörungstheorien zur Euro-Krise im Allgemeinen und Griechenland im Speziellen derzeit hoch im Kurs. Doch weit gefehlt, denn lieber langweilt ZDFzeit mit der Mondlandung. Schließlich belegt eine eigens für die Sendung durchgeführte Umfrage, dass 27 Prozent der Deutschen die NASA-Mission noch immer für eine Lüge halten. Ein fantastisch investigativer Beitrag, wurde doch jeder angebliche Gegenbeweis schon vor Jahrzehnten widerlegt. Das muss auch das ZDF schließlich einsehen, befragt nach einem historischen Rückblick noch rasch Stefan Aust und Roland Emmerich und stellt dann fest: Die Mondlandung hat stattgefunden. Ebenso ergeht es Verschwörungs-theorien zum Tode von Prinzessin Diana, zu den Anschlägen auf das World Trade Center und dem Mythos, die DDR-Kartoffelkäferplage sei eine bizarre amerikanische Biowaffe.

Übertroffen wird dieses traurige Kulturprogramm nur noch durch ein Ranking, in dem Die drei schönsten Verschwörungstheorien vorgestellt werden: Besonders UFOs in Roswell, die Theorie, dass Beatles-Platten rückwärts abgespielt beabsichtigt geheime Botschaften transportierten und die Hitler-Flucht nach Argentinien erfreuen sich in der Redaktion großer Beliebtheit. Doch wo bleibt da der Mehrwert für den Zuschauer? Der ist schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Handwerklich kann sich ZDFzeit zwar sehen lassen, hinter dieser Fassade bleibt aber nur inhaltsloses Archivmaterial, das durch O-Töne und Meinungsumfragen nicht sonderlich an Substanz gewinnt. Stefan Aust, ehemaliger Chefredakteur des Spiegel, vom ZDF gerne auch als Verschwörungsexperte bezeichnet, versteht es zwar, in kurzen Zwischensequenzen etwas Licht in das Dunkel der Verschwörungs-theorien zu bringen, die wirklich spannenden Fragen klärt er aber nicht: Die Tragweite, die Auslösung und die gesellschaftliche Akzeptanz derartiger Theorien bleiben dem Zuschauer unbekannt. Vorsicht Verschwörung! bietet somit nicht mehr als grundsolide Unterhaltung und eine interessante Einführung in die Welt der Verschwörungstheorien, ist aber definitiv keine gute Dokumentation. Die Themen der nächsten zwei Wochen lassen ebenfalls kaum Gutes ahnen: Um Geheimnisvolle Unterwelten und Die Unbesiegbaren – Rückkehr der Seuchen kümmern sich die nächsten Ausgaben der ZDFzeit. Das kann ja heiter werden.

ZDFzeit, dienstags um 20.15 Uhr im ZDF

28. Februar 2012
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RTL

Konsequente Inkonsequenz bei RTL

© RTL / Stefan Menne

Nicht nur, dass RTL in seiner seit Oktober 2011 laufenden Initiative Sag‘s auf Deutsch fremdsprachige Mitbürger darum bittet, gefälligst Deutsch zu lernen, die Aufforderung mangels Untertitel oder Übersetzung allerdings gar nicht bis zur Zielgruppe vordringen kann: In Köln nimmt man es mit der deutschen Sprache selbst nicht allzu genau. Der potentielle Sprachwitz des RTL Com.mit Awards basiert nicht grundlos auf einem phonetischen Wortspiel, das ohne Anglizismus nicht möglich wäre. Vom Wörtchen Award ganz zu schweigen. Und das soll man jetzt verstehen.

27. Februar 2012
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RTL, Undercover Boss

„Undercover Boss“: Wenn der Knochen zum Hund kommt

RTL hat wieder exklusive Werbeplätze an führende deutsche Unternehmen vergeben: Sechs Folgen der mittlerweile dritten Staffel der Doku-Soap Undercover Boss platziert der Kölner Quotenkönig jeweils am Montagabend um 21:15 Uhr, direkt im Anschluss an das beliebte und von Zuschauern stark frequentierte Wer wird Millionär?. Der Ansatz: Ein Mitglied der Führungsetage deutschlandweit bekannter Marken wird vom Chef zum Praktikanten degradiert, übt unter anderem Namen, mit falschen Zähnen und Langhaarperücke eine Woche lang die Arbeit einfacher Angestellter aus und erhofft sich dabei Einblick in die Gefühlswelten der Arbeitnehmer und Aufschluss über mögliche Problemquellen innerhalb der Arbeitsstrukturen. Die RTL-Kameras rechtfertigt man mit dem Dreh einer Reportage über Praktika. Löblich, dieses Interesse für Angestellte und deren Anliegen. Uneigennützig aber wohl kaum: Hervorragend in Szene gesetzt werden Produkt und Mitarbeiter, anerkennende Worte verloren über das Betriebsklima und die ausgezeichnete Warenqualität. Ein PR-Coup zur besten Sendezeit also, den bislang unter anderem Eismann, Best Western, TOITOI & DIXI, Joey‘s Pizza und Burger King ergattern konnten.

Ging es in der ersten Staffel im vergangenen Jahr mitunter noch um teils schwerwiegende soziale Probleme (die als dramatische Einzelfälle samt rühmens-werter Entschuldigung seitens der Unternehmen aus der Welt geschafft wurden), hat man das Format mittlerweile so stark verwässert, dass Selbstkritik kein Platz mehr eingeräumt wird. In der Auftaktfolge zur dritten Staffel darf jetzt Kamps im Blitzlicht der RTL-Euphemismen sein Image als führender handwerklicher Bäcker Deutschlands pflegen: Geschäftsführer Jaap Schalken begibt sich als Undercover Boss Nicolas Martens in die hauseigenen Backstuben und Kamps-Filialen Deutschlands, um sein Unternehmen besser kennenzulernen. Dabei trifft er täglich auf Menschen, die ihn anleiten und mit denen er in den Pausen merkwürdig steife Gespräche führt. Was sie denn für Träume hätten. Wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellten. Welche Probleme es gebe. Und in welcher familiären Situation sie sich befinden würden. Seltsame Fragen, die ein mutmaßlicher Praktikant da an seine temporären und vollkommen fremden Vorgesetzten richtet. Wichtig sind sie allerdings für die Dramaturgie, schließlich erfährt der Zuschauer, dass der Arbeits-platz eines Bäckers heiß ist, die nächtlichen Arbeitszeiten das Sozialleben beein-flussen und der 21-jährige Bäcker Ibrahim aus Berlin noch keinen Führerschein besitzt.

Nein, Sozialkritik abseits derartiger Luxusprobleme wird nicht zugelassen, denn die könnte schließlich auf das Unternehmen zurückgeführt werden. Dass allerdings die Brötchen frisch und das Konzept der Backstuben ganz neu ist, darf zwischen zwei Einsätzen erwähnt werden. Gerne auf Kamps zurückfallen darf auch die Auflösung der Chefmission, für deren Zwecke die für den versteckten Praktikanten ver-antwortlichen Angestellten zu Jaap Schalken zitiert werden. Denn während sich diese schon auf einen Tadel oder Rauswurf gefasst machen, zückt der großzügige Geschäftsführer nur wenig später Gutscheine für Führerschein, Urlaub und Einkauf, als Dankeschön für den Einsatz im Unternehmen. Eine nette Geste für fünf von 5000 Angestellten, die jahrelange soziale Probleme und Überstunden auch nicht wiedergutmachen. Und die Erfahrungen, die Jaap Schalken unbedingt sammeln wollte? Die sind herrlich vorhersehbar: Kamps beschäftigt tolle Angestellte. Und das Unternehmen muss in Zukunft die Kommunikation zwischen Chefetage und Mitarbeitern verbessern. Undifferenzierter könnte ein Fazit gar nicht ausfallen, aber ernsthafte Probleme haben in einem Imagefilm auch nichts verloren – und nichts anderes ist Undercover Boss. Warum RTL das Format ohne entsprechenden Hinweis auf eine Dauerwerbesendung oder Produktplatzierungen ausstrahlen darf, ist rätselhaft.

Undercover Boss, noch fünf Folgen, jeweils montags um 21:15 Uhr auf RTL