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26. Februar 2012
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ProSieben, VIPictures

„VIPictures“: George Clooney und der Obdachlose

Die jährliche Verleihung der Oscars ist für die amerikanische Filmbranche eines der bedeutendsten gesellschaftlichen Ereignisse der Jahres und für einige Glückliche der Lohn harter Arbeit – die Trophäe gilt als einer der wichtigsten internationalen Filmpreise. Eigentlich zu unrecht, denn ausländische Filme haben einen schweren Stand in Hollywood und werden abseits des großen Spektakels hauptsächlich in der Kategorie Best Foreign Language Film of the Year honoriert. Der Faszination für die vermeintliche Traumfabrik schadet das kaum, zumal ProSieben die Verleihung seit einigen Jahren live ausstrahlt und den deutschen Zuschauer an der Mediengala unmittelbar teilhaben lässt. Doch das reicht ProSieben mittlerweile nicht mehr; der Sender begibt sich Jahr für Jahr in einen Marathon aus Vor- und Nachberichterstattung: Ob der finanziellen Schwierigkeiten ausgedehnter Vor-Ort-Recherche rührt man in München gerne allerlei Archiv-material zusammen, das in den Trashmagazinen taff und (aktuell wieder) red schon Wochen vorher auf das große Event vorbereiten soll.

Am Vorabend der Oscar-Verleihung treibt ProSieben es dann auf die Spitze: In diesem Jahr präsentiert Annemarie Warnkross (u.a. taff) in einer neuen Ausgabe von VIPictures „50 Fotos mit Starfaktor“, die unter dem Oberbegriff Hollywood zumeist einen mehr als losen Bezug zum Filmpreis haben: „George Clooney mit einem Obdachlosen auf dem roten Teppich, Mila Kunis mit einem US-Soldaten auf einem Militärball – diese und 48 andere faszinierende Fotos erzähl[en] [...] ungewöhnliche und berührende Geschichten hinter bekannten Bildern und unbekannten Schnappschüssen.“ Wer hinter dieser Pressemitteilung von ProSieben ein Grauen aus Rührseligkeit und Schwarz-Weiß-Denken erwartet, wird nicht enttäuscht: Die Hollywood-Welt des Senders und damit auch die Chartshow der „50 Fotos mit Starfaktor“ besteht aus reichlich Anekdoten, Oscar-Superlativen (Die tränenreichste Oscar-Rede, Der akrobatischste Oscar-Rekord, Der erfolgreichste Oscar-Preisträger), Tierbildern (Hunde! Hunde im Hunde-Luxushotel!! Hunde auf dem roten Teppich!!!) und vermeintlich exklusiven Geschichten, die sich bei näherem Betrachten rasch entzaubern.

Dass Jesse Heiman medial zum wohl bekanntesten Komparsen Hollywoods gekrönt wurde, ist fast ein Jahr her, noch älter ist da nur noch die Meldung über den realen Nachbau des Tron-Motorrads. Und Bilder von Sandra Bullock auf der letztjährigen Oscar-Verleihung wurden bereits in stundenlangen taff-Beiträgen verwurstet und sind obendrein kaum ungewöhnlich. Das an sich ist allerdings nicht schlimm, stünde hinter den Geschichten wirklich ein Very Important Picture, über das es zu berichten lohnte. Leider bestimmen zumeist ausdruckslose Fotos, Stills und Symbolbilder das Ranking; erst durch bewegtes Archivmaterial schafft es die Sendung, überhaupt eine Geschichte zu konstruieren. Moderiert wird das Sammel-surium aus seelenlosem Boulevard aus einem in Lila und Rosa gehaltenen Studio, in dem sich die Produzenten austoben: Annemarie Warnkross wird verdoppelt, verdreifacht, gestaucht und in virtuelle Hubschrauber gepackt – schlimmer wurde talktalktalk damals auch nicht inszeniert.

Geschenkt, denn Boulevard wem Boulevard gebührt. Doch da die grundsätzlich positive Weltsicht ProSiebens auf Hollywood einer kritischen Berichterstattung im Wege steht, schaffen es auch Szenen in die Sendung, bei der die positiv konnotierte Platzierung verwundert und die rein gar nichts mehr mit Boulevard zu tun haben: Welche Vorbildfunktion gibt beispielsweise Herbert Chavez ab, der sich operativ in einen Clark Kent-Doppelgänger verwandelt hat? Wieso ignoriert ProSieben die Tatsache, dass die nicht einmal zweijährige Tyler Sercombe von ihrer Mutter instrumentalisiert wird, um an Autogramme zu gelangen – und bezeichnet das wehrlose Kind stattdessen euphemistisch als jüngste Autogrammjägerin Hollywoods? Und warum schafft es die sensationslüsterne L.A. Gang Tour in eine Trivialsendung, in der die Verharmlosung von Ganggewalt nicht hinterfragt wird? Gerade derartige Beiträge hinterlassen einen bitteren Beigeschmack einer Sendung, die es weder schafft, spannende Geschichten zu erzählen und in der kaum ein Bild als very important durchgehen kann. Mehr noch, derartige Beiträge vermiesen den Spaß an den wenigen Perlen, die VIPictures anbietet, etwa die der Twilight-Stadt Forks. Schade, dass man bei ProSieben die im Grunde gute Idee mit geringstmöglichem Aufwand realisiert hat – und damit bloß eine längere Ausgabe von taff auf Sendung schickte, die die Faszination Hollywoods nicht einzufangen vermag.

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