Wenn für namenlose Boulevardsendungen die offensichtliche Namensgebung (Brisant, RTL; Prominent, VOX), offensichtliche Entlehnungen aus dem Englischen (taff, ProSieben) und weniger offensichtliche, aber thematisch-assoziativ gerade noch greifbare Farbadjektive (red, ProSieben) schon vergeben sind, muss man als Produzent eines ebensolchen Formats schonmal kreativ werden. Immerhin bis zum P im Power Dictionary Englisch hielt die Kreativität im Falle von Sat.1 an, dann konnte man den Senderverantwortlichen das Tu-Wort (to) push auf den Konferenz-tisch knallen. (to) push, das klingt irgendwie hipp und gebildet, ohne Arroganz auszustrahlen, ist außerdem Englisch und kann deshalb kleingeschrieben werden, ohne dass Semiotiknazis Kritik üben könnten; es steht im Wörterbuch unter pus (Eiter) und wenn man das eingeklammerte to ignoriert, kann es gleichzeitig auch als Nomen fungieren. Für eine Boulevardsendung ist ein solcher Fund natürlich Gold wert, denn die Kausalität zwischen inhaltsleerem Namen und inhaltsleerer Sendung verspricht rein gar nichts.
Und das kann das neue Magazin push auch halten: Auf den ersten Blick ist Moderatorin Annika Kipp (u.a. Sat.1 Frühstücksfernsehen) so ziemlich alles, was von der zeitweise eingestellten Boulevardsendung Sat.1-Magazin noch geblieben ist. Doch auf den zweiten Blick zeigt sich, dass push auch die fehlende Seriosität, die fehlende inhaltliche Stringenz und das fehlende Alleinstellungsmerkmal im über-füllten Klatsch-und-Tratsch-Dschungel von seinem Vorgänger übernommen hat. Der Rest der Show ist glücklicherweise von der Konkurrenz abgekupfert worden und nicht in den Kompetenzbereich der kreativen Sat.1-Produzenten gefallen – vielleicht wäre das Privatfernsehen sonst implodiert: Das Studio könnte ohne push-Logo auch bei RTL in Köln stehen, die schlechten Sprüche würden auch taff gut zu Gesicht stehen und Kipps überdreht fröhliche Grimassen, mit der sie zuckersüß, aber ohne Grund eine übergelagerte Tonspur visualisiert, machen sie zu einer starken Konkurrenz für die stets in die Kamera lächelnde, aber nur über Off-Kommentare kommunizierende Constanze Rick.
Inhaltlich geht es da schon deutlich origineller zu, denn immerhin lernen die Zuschauer einiges. Zum Beispiel, dass die Befragung von Jugendlichen zu aktuellen Themen (heute: der vor Tagen beendete Eurovision Song Contest; billig: dem ESC trotz 8,29 Millionen Zuschauern seine Relevanz absprechen zu wollen, anstatt sich kritisch mit den Zuständen in Aserbaidschan auseinanderzusetzen), die Suche nach Trends auf Fachmesssen (heute: ein Besuch auf der Beauty International Düsseldorf; nervig: die Reporter kommentieren sich in Interviewszenen selbst; interessante Information, die push dem Zuschauer vorenthält: die Messe ist seit über zwei Monaten beendet) und die Trendsuche generell (heute: das über ein Jahr alte und mit 42 Millionen Klicks bedachte Video Baby Laughing Hysterically at Ripping Paper) nicht zu den Kernkompetenzen von push zählen. Unbezahlbar ist allerdings, dass push sich für einen lächerlichen Beitrag eine Reise in die USA spendieren ließ, um in Heidi Klums Topmodel-Villa zu filmen – da ist Annemarie Warnkross sicher neidvoll vor ihrem Bluescreen versunken. Annika Kipp lacht eben als Letzte. Leider auch als Einzige.
push – Das Sat.1-Magazin, montags bis freitags um 19:30 Uhr