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28. Februar 2013
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7 Tage Sex, RTL

„7 Tage Sex“: sic(k)!

Wir befinden uns im Jahr 2013 nach Christus. Ganz Deutschland ist von minder-bemittelten Menschen besetzt, die der geschichtsrevisionistischen Propaganda von Gleichberechtigung und Menschenwürde frönen. Ganz Deutschland? Nein! Unbeugsame Filmemacher im fasching-stischen Untergrund hören nicht auf, dem 21. Jahrhundert in Deutschland Widerstand zu leisten. Ihr Ziel ist es, die von der Gesellschaft schamlos aufgeweichten Rollenbilder von Mann und Frau zu reaktivieren. Besonders die Aufklärung über die sträfliche Missachtung männlicher Bedürfnisse und die dreiste Verweigerung deutscher Ehefrauen, ihren sexuellen Pflichten nachzukommen, sind den mutigen Helden eine Herzensangelegenheit. Mit einem gewagten Experiment haben die Aufmüpfigen ihre als Doku-Soap getarnte Gender-Aufklärung 7 Tage Sex deshalb im Hauptprogramm des einzig verbliebenen Senders platziert, der diesem gottverdammten Land noch ein wenig Tradition und Anstand verleiht: Mein RTL.

Da die einwandfrei recherchierte Dokumentation nichts für schwache Nerven ist, warnen die Macher gleich zu Beginn eindringlich: „Zwei Paare und ein revolutionäres Experiment: Eine Woche lang jeden Tag Sex!“ Gewiss keine leichte Kost, doch dramaturgisch wie aufklärerisch eine Perle altdeutscher Filmkunst ab der ersten Sekunde: Spontanzuschauer sind ob der sexuell aufgeladenen Thematik derart gefesselt, dass sie geifernd vor dem Fernsehschirm sitzen bleiben und es ein Leichtes sein sollte, sie über die Rechte von Männern und die sexuellen Pflichten von Frauen aufzuklären.

Da RTL trotz seiner eindeutig traditionalistischen Werte von immer mehr unbedarften Menschen mit Liberalismushintergrund geschaut wird, führen die Macher der mutigen Dokumentation vier Protagonisten ein – ein Angebot für alle, um sich auf einer weniger abstrakten Ebene mit dem sexlosen Schicksal des deutschen Ehemannes identifizieren zu können. Marcel und Nadin sowie Petra und Frank haben sich bereiterklärt, ein Kamerateam in ihr Schlafzimmer blicken zu lassen und versuchen zu erklären, wie Männer ihrer Frauen wieder habhaft werden können. Sie vermitteln den Zuschauern, dass Frauen nur reden wollen und Männer immer geil sind; dass Frauen keinen Spaß an Sex haben und Männer immer geil sind; dass Frauen die volle Verantwortung für die Flaute in deutschen Betten tragen und Männer immer geil sind. Ein spannender Ausgangspunkt.

Die Wurzel allen Übels. © RTL

Let‘s go: Marcel (Barkeeper) und Nadin (Hausfrau und Mutter) sind seit elf Jahren verheiratet, haben drei Kinder und keinen Sex. Sie stehen damit exemplarisch für Millionen deutscher Ehepaare, deren Situation sich nach genauer Analyse auf die Anomalie „Mama ist müde“ zurückführen lässt. 7 Tage Sex dokumentiert diese Form weiblicher Rollenverdrängung plakativ, beispielsweise, als Marcel seiner Ehefrau zwischen die Beine fasst, sie sein großzügiges Vorspiel allerdings abwehrt – „Kopfschmerzen, Abgespanntheit, ,Ich bin fertig‘, ,Der Tag hat mich geschafft‘, ,Die Kinder haben mich wieder geschafft‘“, fasst Marcel die Ausreden seiner Frau zusammen. Es sind solche Momente, in denen die Dokumentation es schafft, dass ganze weibliche Elend in bedrückenden Bildern festzuhalten und der Zuschauer sich ob der Dreistigkeit Nadins in Fremdscham ergeht.

Und auch am nächsten Tag, als Marcel seine Nadin spontan am Herd überrascht, redet sie sich ‘raus: „Erstens sind die Kinder noch wach, zweitens haben wir noch kein Abendbrot gegessen und drittens muss der Tisch noch gedeckt werden.“ Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein, und wer das bisschen Haushalt dennoch vorschiebt, kann wohl kaum eine gute Hausfrau und Mutter sein. Punkt. Marcels Leiden geht dem Zuschauer an dieser Stelle direkt ins Herz, doch der Arme weiß sich mittlerweile zu helfen: „Wenn sie mal keine Lust hat, steht mir das WC zur Verfügung.“ Natürlich kann das kein Dauerzustand sein – Nadin muss mithilfe des 7 Tage Sex-Experiments an ihre Rolle als Ehefrau erinnert werden. „Ein Stößchen auf deine Stößchen“, prostet ihm ein Freund zu, der um das Elend weiß. „Die kriegst sieben Mal im Jahr nicht ins Bette.“

Mittendrin statt nur dabei. © RTL

Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht – und filmt: Um möglichst viele Menschen für die Thematik zu sensibilisieren, setzen die Macher auf eine Tagebuchkamera, damit die Zuschauer den Protagonisten auch kurz vor und nach dem geglückten Beischlaf nah sein können. Löblich: Jeder vollzogene Akt wurde in der Postproduktion mit einem Häkchen auf einem Wochenplan honoriert, sodass der Zuschauer immer über das Sexleben der Protagonisten informiert ist. Sieben Tage später steht fest: Auch wenn Nadin zwischendurch einmal über ihre Beziehung reden wollte und sich erdreistete, ihrem Ehemann an seinem freien Tag die Kinder aufs Auge zu drücken, um sich mit einer Freundin zu treffen, kann Marcel befriedigt sein.

Er hat seine Ehefrau mit Pheromon-Spray, sinnlicher Erotik-Fotografie und viel Durchhaltevermögen wieder in die richtige Bahn lenken können. Und soviel sei an dieser Stelle verraten: Auch Frank und Petra merken im Laufe des Experiments, dass Frank mehr Sex braucht und haben das Experiment erfolgreich beendet. Eine ungewöhnliche Art, auf die noch immer vorherrschende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau hinzuweisen? Sicherlich. Doch macht 7 Tage Sex mehr als deutlich, dass die binäre Geschlechtertrennung keine Option sein kann, sondern Pflicht ist. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Frauen diesem Vorbild folgen und ihren Ehemännern wieder mehr Sex gönnen – ein kathartischer Nebeneffekt ist das Mindeste, was man den mutigen Filmemachern von 7 Tage Sex gönnt. Check!

Check. © RTL

tl;dr
RTL begleitet zwei Paare bei dem Experiment, eine Woche lang jeden Tag Sex zu haben. Mit üblichem Krawall, der obligatorischen Tagebuchkamera und jeder Menge Gender-Klischees geht es den Zuschauern an die Wäsche Grenzen des guten Geschmacks. Dass beide Paare und ihre Kinder mit Vor- und Zunamen genannt werden, ist dabei fast noch das kleinste Übel. Sexistische Aufmerksamkeits-maschinerie, die wieder einmal hervorragend funktioniert und keine noch so kleine Bloßstellung der Kandidaten auslässt.

7 Tage Sex, noch drei weitere Folgen, jeweils mittwochs um 21:15 Uhr auf RTL

26. Februar 2013
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Circus HalliGalli, ProSieben

„Circus HalliGalli“: Mit Netz und doppeltem Boden

Ach, was waren die Vorzeichen doch opulent: Wochenlang rührte ProSieben die ganz große Werbetrommel für seine beiden Neuzugänge Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf und ihre Show Circus HalliGalli – mit Trailern, die von elefantösem Größenwahn, aber auch immanenter Akkuratesse kündeten und fast wie ein Versprechen wirkten. Ein Versprechen, das gebrochen wurde, denn der Premiere von Circus HalliGalli hat der selbstaufgebaute Druck ganz offensichtlich geschadet. Statt mit frischem Konzept einen Neustart bei ProSieben zu wagen, haben Joko und Klaas das altbekannte neoParadise in ein aufgeräumteres und größeres Studio gepresst und ihm einen neuen Namen verpasst.

Ansonsten ist fast alles beim Alten geblieben: Oma Violetta ist genauso wie Paulina und Olli Schulz erneut mit von der Partie und die altbekannte, zwischen Sofa- und Schreibtischtäter differenzierende Sitzordnung wurde zwar seiten-verkehrt, ansonsten aber beibehalten – welch‘ raffinierter Schachzug! Und natürlich darf die in jeder Sendung wechselnde Schrankband wieder zum Playback zappeln. Dass man sich zur Premiere allerdings ausgerechnet Cro einladen musste, der bei neoParadise zumindest gefühlt Dauergast war, zeugt dann auch nicht von großer Innovationsfreude.

Genauso wenig originell geht es im ersten Einspielfilm weiter: Joko und Klaas sind acht Stunden lang auf dem Kölner Karneval unterwegs und müssen in dieser Zeit zu allem Ja sagen – die neoParadise-Reihe Wenn ich Sie wäre und Hollywood lassen grüßen. Und um jede Hoffnung auf Neuerung gleich im Keim zu ersticken, triezen sich Joko und Klaas mit vorbereiteten Gags, statt sich von Karnevalisten Aufgaben stellen zu lassen und der abgehalfterten Selbstkasteiung damit zumindest eine neue Richtung zu geben. Wirkliche Stimmung kommt somit nicht auf, vor allem auch, weil der Einspieler mit zehn Minuten viel zu lang geraten ist. In einem zweiten Einspieler ist Olli Schulz als sein – natürlich – neoParadise-Alter-Ego Charles Schulzkowski zu sehen, wie er auf einer Berlinale-Party versucht, Prominente abzufüllen.

Allen Gästen ist die Anwesenheit des aufdringlichen Circus HalliGalli-Außenreporters nach kurzer Zeit sichtbar unangenehm, zumal es sich Olli Schulz zur Aufgabe macht, seiner Rolle gerecht zu werden, um schlussendlich betrunken und randalierend vor die Tür gesetzt zu werden. Egal, was man von derartiger Anarcho-Comedy halten mag: Erneut ist der Einspieler mit über zehn Minuten Laufzeit viel zu lang geraten und verliert dabei seine Wirkung. Gelungen sind zwei weitere Einspielfilme mit Oliver Pocher, der in bester Fight Club-Reminiszenz vor dem Studio ausharrt und sich von Joko und Klaas abwechselnd anhören muss, dass er nicht in die Sendung gelassen wird. Retten können die Circus HalliGalli aber auch nicht mehr, denn zwischen all den Einspielern ist noch Helge Schneider zu Gast, darf Sido ein Liedchen vom neuen Album trällern, bringen zwei Kleinwüchsige im Tretauto Thüringer Klöße ins Studio und hat Wolfgang Lippert einen Kurzauftritt.

Die für den schnellen, billigen Witz bis ins Kleinste fragmentierte Sendung geht nicht auf, ist weder Talkshow noch Comedy-Brüller, ist kein richtiges neoParadise mehr und enttäuscht dabei trotzdem alle, die auf etwas Neues gehofft hatten. Zu unflexibel kommt Circus HalliGalli daher, um wirklich Spaß zu machen; ist dabei aber zu unstrukturiert, um sich vollständig in der Show verlieren zu können. Hoffen wir, dass Joko und Klaas nach dieser durchwachsenen Premiere Ernst machen und sich in den kommenden Wochen etwas dynamischer und experimentierfreudiger in der selbstgewählten Manege bewegen. Dann aber bitte ohne Wolfgang Lippert.

Circus HalliGalli, montags um 22:15 Uhr auf ProSieben

06. Juli 2012
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Popstars, ProSieben

„Popstars“ unter sich

Die älteste Castingshow Deutschlands kehrt auf die heimischen Mattscheiben zurück, nachdem ProSieben der Bundesrepublik im Jahr 2011 mit einer österreichischen Staffel fremdgegangen ist – wohl auch, weil die Quoten der vergangenen Staffeln schon lange nicht mehr an die Erfolge früherer Jahre heranreichen konnten und mit The Voice of Germany ein deutlich erfolgs-versprechenderes Format debütierte. Das runde Jubiläum von Popstars lässt sich ProSieben aber nicht nehmen und präsentiert die zehnte Staffel mit vielen Veränderungen. Statt Musikexperten sitzen nun ehemalige Popstars-Kandidaten in der Jury: Neben dem unvermeidlichen Detlef Majuskel-Rufzeichen-D! Soost bewerten Lucy Diakovska (1. Staffel, No Angels), Ross Antony (2. Staffel, Bro‘Sis) und Senna Guemmour (5. Staffel, Monrose) die Leistungen der Kandidaten.

Musikalisch kann die neue Popstars-Kandidaten-Jury zwar kleinere und größere Erfolge vorweisen, alle drei Bands wichen inzwischen allerdings „Soloprojekten“ – taff-Beiträgen, einer Dschungelcamp-Teilnahme und Showmoderationen also. Und auch wenn sich die Jury durchaus gut auskennt mit den temporären Höhen und langandauernden Tiefen einer Musikerlaufbahn, hat der Zuschauer das personifizierte Scheitern und damit die Zukunft auch des zukünftigen Gewinners permanent im Blick. Dieser mehr als offensichtliche Denkfehler bei der Jury-Besetzung ist ProSieben entweder nicht bewusst gewesen oder er wurde zugunsten der Dramaturgie großzügig ignoriert: Zu jeder Emotion der Kandidaten findet sich im üppigen Popstars-Archiv ein äquivalenter Moment der Jury-Mitglieder zu Kandidatenzeiten, der eingespielt werden kann. Wozu auf lustige, spannende, traurige Situationen innerhalb der Jury warten, wenn man diese durch halbwegs passende Einspieler einfach suggerieren kann? Eben – und günstig ist es auch.

Doch nicht nur das Jurykonzept ist neu, Popstars kommt zum Jubiläum auch in frischer Optik und mit leicht abgewandeltem Regelwerk daher. Mit einem überarbeiteten On Air Design erscheint das Format deutlich moderner als noch in der vorangegangenen Staffel und nähert sich der gestalterisch starken Konkurrenz an. Das Regelwerk hingegen wurde nur halbherzig überarbeitet: Ein Kandidat braucht statt zwei von drei Ja-Stimmen nun insgesamt acht Jury-Punkte, um in die nächste Runde zu kommen; jedes Jury-Mitglied darf bis zu drei Punkte vergeben. Nette Idee, nervt aber spätestens mit der dritten Patt-Situation, in der ein Kandidat von drei Jury-Mitgliedern insgesamt fünf Punkte eingeheimst hatte und vom vierten Jury-Angehörigen nun drei Punkte braucht, um nicht auszuscheiden. Der nun folgende Ablauf ist so langwierig wie redundant: Nach moralinsaurer Predigt über das Leben, das Universum und den ganzen Rest (D!), abfälligen Zusammen-fassungen der Kandidatenleistung (Senna) oder unter Schluchzen vorgetragenem Ich-meine-es-nur-gut-mit-dir-Geschwätz (Ross) warten alle auf die Punktevergabe.

Bedeutungsschwere Blicke gehen umher, eine gespannte Stille bestimmt den Raum, alle Augen sind auf den noch stimmberechtigten Kollegen gerichtet. Fast erwartet der Zuschauer ein Raunen oder einen Trommelwirbel, wenn das letzte Jury-Mitglied seinen Finger in Zeitlupe über den Touchscreen bewegt, sekunden-lang innehält, um schließlich, endlich, wahrhaftig, jetzt aber wirklich, mit einem kleinen Klick nur, aber unter sichtbar größter emotionaler und körperlicher Anstrengung, seine Punkte vergibt – um sich danach erschöpft und laut seufzend in den Stuhl fallen zu lassen. Hängt die Entscheidung von Senna ab, folgt nach der Vergabe von einem oder zwei Punkten prinzipiell die Relativierung, durch die der Kandidat doch noch in die nächste Runde erreicht. Das ist ein oder zwei mal durchaus amüsant, kommt in der ersten Folge aber am laufenden Band vor und ist auch deshalb unheimlich anstrengend, weil die angestaute Spannung nach der Punktevergabe durch eine fehlende Publikumsreaktion verpufft.

Und nicht nur derartige Bemühungen trüben die Dramaturgie, sondern auch eine generelle narrative Inkonsequenz: Einige Kandidaten werden mit Homestory und O-Ton von Freunden oder der Familie vorgestellt, andere sind nur mit kurzem Steckbrief präsent und wieder andere werden mit einer Handkamera bei der Vorbereitung auf den Auftritt gefilmt – dass diese Einstellung nicht Kandidaten-Cam heißt, ist auch alles. Anfangs greift Popstars außerdem auf für die Sendung ungewohnte Elemente zurück: Immer wieder werden die größten Castingpannen in DSDS-Manier zwischengeblendet. Bis auf die erwähnten Punkteverkrampfungen verläuft die Sendung dann allerdings reichlich unspektakulär weiter; auch die direkt angeschlossenen Recall-Entscheidung, obwohl sang- und klangvoll, verschwindet ohne Publikum in der Bedeutungslosigkeit – da können auch die neuen Mikrofone, mit denen einzelne Stimmen aus dem Quartett herausgezogen werden können, nicht viel retten.

Im Endeffekt mag das neue Konzept der Mutter aller Castingshows, wie D! nicht müde wird zu betonen, nicht so recht greifen. Der Funke springt nicht über, die Show ist nicht rund, die Euphorie der durchaus unterhaltsamen Jury für den Zuschauer kaum nachvollziehbar. Es bleibt zu hoffen, dass die Sendung sich getreu dem Arbeitstitel „Der Weg ist das Ziel“ noch steigert. Übrigens: Statt dem Bände sprechenden Arbeitstitel hat ProSieben die zehnte Staffel dann doch Popstars goes Ibiza genannt – zu mehr Ehrlichkeit war man in München wohl nicht in der Lage.

Popstars goes Ibiza, donnerstags um 20:15 Uhr auf ProSieben

04. Juli 2012
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Glööckler, Glanz und Gloria, VOX

„Glööckler, Glanz und Gloria“: German TV has been rickrolled

Harald Glööckler, dieser zur Kunstfigur stilisierte Urschwabe, Einzelhandels-kaufmann, QVC-Teleshopping-Ansager, zweimalige Let‘s Dance-Moderator und selbsternannte Modedesigner, will bei VOX Einblicke in sein Privatleben geben. Produzierte man zu diesem Zwecke einst eine Reportage oder Dokumentation, setzt man den Zuschauern heute Personality-Dokus vor und verkauft inszenierten PR-Müll als das echte Leben des Protagonisten. Oder diffamiert, im schlimmsten Fall, den Protagonisten als realitätsfremdes Medienopfer. Glööckler hat sich für erstere Variante entschieden und präsentiert sich dem deutschen Fernsehen seinem selbstgewählten Ruf entsprechend: Glööckler beim Botoxspritzen, Glööckler in der Badewanne, Glööckler auf der Couch sitzend, Glööckler im Bett, Glööckler in der Sauna, Glööckler, Glanz und Gloria.

Auch wenn es so scheint: Privat ist daran gar nichts, denn der Mensch Glööckler bleibt unter der aufgesetzten Maskerade des Paradiesvogels, dem zweifelhaften Verlangen nach unbedingtem internationalem Anspruch, unter den heuchlerischen Stiefelleckereien von Designern, Busenfreunden und persönlichen Assistenten verborgen. VOX zeigt eine Pseudowelt voller Klunker, Kitsch und Klamauk, in der sich Glööckler bewusst als Karikatur bewegt. Es ist sein gutes Recht, sich den Medien als aufgesetzte Tucke anzubiedern, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen oder sogar mit voller Überzeugung hinter all dem zu stehen, was er zu verkörpern vorgibt.

Und natürlich sind Personality-Dokus immer ein Stück weit von der Selbst-inszenierung des Protagonisten geprägt, aber eine gute Personality-Doku lässt den Zuschauer auch hinter die Fassade schauen – in respektvollem Maße entweder subtil oder gesteuert vom Protagonisten. Wenn der Protagonist das nicht leisten kann oder will, gehört er nicht ins Fernsehen. Ohne ein einziges ernstzunehmendes Interview, ohne Worte zu der durchaus bewegenden Geschichte Harald Glööcklers und ohne einen wirklich privaten Moment aufzunehmen, ist Glööckler, Glanz und Gloria ein bizarres PR-Stück in einer ganzen Reihe bizarrer PR-Stücke des privaten Fernsehens – ein langweiliges noch dazu. Das ist nicht peinlich für Glööckler, sondern für VOX. Denn der Sender setzt seinen Zuschauern schamlose Product Placement-Kost vor, die unter dem Deckmantel der Personality-Doku nichts anderes macht als für Glööckler zu werben. Ich habe mich verarscht gefühlt. Und das lag nicht an Glööckler.

Glööckler, Glanz und Gloria, immer dienstags um 20:15 Uhr bei VOX

02. Juli 2012
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Ab durch die Mitte, Sat.1

„Ab durch die Mitte“: Das vielleicht erfrischendste Quiz der Welt

Michael Schanze hatte eine, Jörg Pilawa hat aktuell eine, Joko und Klaas haben hin und wieder mal eine und Thomas Gottschalk hätte sicher gerne eine, sollte er bei RTL gefeuert werden: eine Quizshow. Das Genre, das öfter totgesagt wurde als das Musikfernsehen, ist einfach nicht kleinzukriegen. Vielleicht liegt es daran, dass die Spieleformate so herrlich variabel einsetzbar sind: Die Öffentlich-Rechtlichen beschäftigen mit Quizformaten ihre Sportmoderatoren in Dürreperioden, die Finanzhaie von ProSieben können Stefan Raabs hundertsiebte Vertrags-verlängerung immerhin mit Blick auf das abendfüllende Megaspektakel Schlag den Raab tolerieren und sogar als langweiliger Lückenfüller im quotengeplagten Vorabendprogramm taugt das Genre hervorragend – gewinnen Studentin Lisa oder Oma Hedwig eben nur ‘nen Fuffi statt der üblichen Million.

Besonders hervorgetan im Bereich der Quizshows hat sich in den vergangenen Jahren Sat.1. Weniger die unregelmäßigen Formate mit Johannes B. Kerner, vielmehr aber Sendungen wie Mein Mann kann haben die öde Spiellandschaft belebt und lehren gruseligen ARD-Sauriern das Fürchten. Nach der Primetime wird bei Sat.1 jetzt der Vorabend mit einer Quizshow ausgestattet: Ab durch die Mitte – Das schnellste Quiz der Welt läuft werktags um 18:30 Uhr vor dem unsäglichen push und verspricht rasanten Rätselspaß. Moderiert wird das Format von Newcomer Daniel Boschmann – ein Name, der selbst aufmerksamen Fernseh-zuschauern nichts sagen wird. Wohnt man in Guxhagen, Bruchköbel oder hat sogar das Glück, in Darmstadt oder einer anderen Metropole Hessens zu leben, kennt man Boschmann aber womöglich aus dem Morgenmagazin von YOUFM.

Und so funktioniert das schnellste Quiz der Welt: Ein Hauptspieler und zehn Gegner, die Gewinnsummen zwischen einem und 4000 Euro repräsentieren, kämpfen um 50.000 Euro und darum, den Hauptspieler aus dem Rennen zu werfen – um selbst zum Hauptspieler um die Gewinnsumme zu werden. Der Clou: Alle elf Spieler stehen auf Falltüren, die sie bei falschen Antworten aus dem Spiel und in den Studiokeller befördern. Per Zufallsprinzip wählt der Hauptspieler hinter-einander einen Gegner aus der Zehnerrunde aus. Abwechselnd gilt es dann, relativ einfache Begriffe in bewährter Lückentexttradition zu erraten. Vom Tier, das im Zoo gerne mal auf einem Bein herumsteht – häufig in Pink (FLAMINGO) bis zum Bereich hinter der Konzertbühne (BACKSTAGE) kann so ziemlich jedes Wort vorkommen.

Zum Rätseln hat der jeweilige Kandidat genau 20 Sekunden lang Zeit; der Spieler in der Mitte besitzt außerdem drei Joker, mit denen er unliebsame Fragen an den Gegner weiterreichen kann. Eine Spielrunde dauert so lange, bis einer von beiden den Suchbegriff nicht nennen kann: Errät der Hauptspieler den richtigen Begriff nicht und hat keine Joker mehr, ist er aus dem Spiel und der Kandidat aus dem Gegnerpool heimst erspieltes Geld und den Platz in der Mitte ein; steht der Gegner auf dem Schlauch, geht das Spiel mit dem nächsten Kandidaten aus der Runde weiter. Erst wenn alle zehn Gegner besiegt sind, erhält der Hauptspieler die 50.000 Euro. Im Laufe des Spiels kann dieser aber auch einen Deal mit Boschmann eingehen und das bereits erspielte Geld mit nach Hause nehmen.

Das klingt gut – und das ist auch tatsächlich gut. Daniel Boschmann merkt man seine Erfahrung als Radiomoderator an, er punktet wortgewandt ohne Dreistigkeit, treibt das Spiel höflich aber bestimmt voran und hält sich nur selten mit Smalltalk auf – den er im Vergleich zu vielen anderen Kollegen allerdings sogar beherrscht. Mit einfachem Spielprinzip, spaßigen Kandidaten und einer guten halben Stunde Sendezeit macht Ab durch die Mitte alles richtig und punktet mit purem Spielspaß und guter Laune. Bloß die dreifachen Zeitlupenwiederholungen der Falltüropfer passen nicht ganz ins rechte Bild des schnellsten Quiz der Welt. Aber geschenkt: Wer‘s kurz und schmerzlos mag, kann mit Ab durch die Mitte tatsächlich glücklich werden – das vielleicht erfrischendste Quiz der Welt punktet mit Witz, Charme und Boschmann.

Ab durch die Mitte – Das schnellste Quiz der Welt, montags bis freitags um 18:30 Uhr bei Sat.1