GLOTZE.tv

06. Juli 2012
Kein Kommentar

Popstars, ProSieben

„Popstars“ unter sich

Die älteste Castingshow Deutschlands kehrt auf die heimischen Mattscheiben zurück, nachdem ProSieben der Bundesrepublik im Jahr 2011 mit einer österreichischen Staffel fremdgegangen ist – wohl auch, weil die Quoten der vergangenen Staffeln schon lange nicht mehr an die Erfolge früherer Jahre heranreichen konnten und mit The Voice of Germany ein deutlich erfolgs-versprechenderes Format debütierte. Das runde Jubiläum von Popstars lässt sich ProSieben aber nicht nehmen und präsentiert die zehnte Staffel mit vielen Veränderungen. Statt Musikexperten sitzen nun ehemalige Popstars-Kandidaten in der Jury: Neben dem unvermeidlichen Detlef Majuskel-Rufzeichen-D! Soost bewerten Lucy Diakovska (1. Staffel, No Angels), Ross Antony (2. Staffel, Bro‘Sis) und Senna Guemmour (5. Staffel, Monrose) die Leistungen der Kandidaten.

Musikalisch kann die neue Popstars-Kandidaten-Jury zwar kleinere und größere Erfolge vorweisen, alle drei Bands wichen inzwischen allerdings „Soloprojekten“ – taff-Beiträgen, einer Dschungelcamp-Teilnahme und Showmoderationen also. Und auch wenn sich die Jury durchaus gut auskennt mit den temporären Höhen und langandauernden Tiefen einer Musikerlaufbahn, hat der Zuschauer das personifizierte Scheitern und damit die Zukunft auch des zukünftigen Gewinners permanent im Blick. Dieser mehr als offensichtliche Denkfehler bei der Jury-Besetzung ist ProSieben entweder nicht bewusst gewesen oder er wurde zugunsten der Dramaturgie großzügig ignoriert: Zu jeder Emotion der Kandidaten findet sich im üppigen Popstars-Archiv ein äquivalenter Moment der Jury-Mitglieder zu Kandidatenzeiten, der eingespielt werden kann. Wozu auf lustige, spannende, traurige Situationen innerhalb der Jury warten, wenn man diese durch halbwegs passende Einspieler einfach suggerieren kann? Eben – und günstig ist es auch.

Doch nicht nur das Jurykonzept ist neu, Popstars kommt zum Jubiläum auch in frischer Optik und mit leicht abgewandeltem Regelwerk daher. Mit einem überarbeiteten On Air Design erscheint das Format deutlich moderner als noch in der vorangegangenen Staffel und nähert sich der gestalterisch starken Konkurrenz an. Das Regelwerk hingegen wurde nur halbherzig überarbeitet: Ein Kandidat braucht statt zwei von drei Ja-Stimmen nun insgesamt acht Jury-Punkte, um in die nächste Runde zu kommen; jedes Jury-Mitglied darf bis zu drei Punkte vergeben. Nette Idee, nervt aber spätestens mit der dritten Patt-Situation, in der ein Kandidat von drei Jury-Mitgliedern insgesamt fünf Punkte eingeheimst hatte und vom vierten Jury-Angehörigen nun drei Punkte braucht, um nicht auszuscheiden. Der nun folgende Ablauf ist so langwierig wie redundant: Nach moralinsaurer Predigt über das Leben, das Universum und den ganzen Rest (D!), abfälligen Zusammen-fassungen der Kandidatenleistung (Senna) oder unter Schluchzen vorgetragenem Ich-meine-es-nur-gut-mit-dir-Geschwätz (Ross) warten alle auf die Punktevergabe.

Bedeutungsschwere Blicke gehen umher, eine gespannte Stille bestimmt den Raum, alle Augen sind auf den noch stimmberechtigten Kollegen gerichtet. Fast erwartet der Zuschauer ein Raunen oder einen Trommelwirbel, wenn das letzte Jury-Mitglied seinen Finger in Zeitlupe über den Touchscreen bewegt, sekunden-lang innehält, um schließlich, endlich, wahrhaftig, jetzt aber wirklich, mit einem kleinen Klick nur, aber unter sichtbar größter emotionaler und körperlicher Anstrengung, seine Punkte vergibt – um sich danach erschöpft und laut seufzend in den Stuhl fallen zu lassen. Hängt die Entscheidung von Senna ab, folgt nach der Vergabe von einem oder zwei Punkten prinzipiell die Relativierung, durch die der Kandidat doch noch in die nächste Runde erreicht. Das ist ein oder zwei mal durchaus amüsant, kommt in der ersten Folge aber am laufenden Band vor und ist auch deshalb unheimlich anstrengend, weil die angestaute Spannung nach der Punktevergabe durch eine fehlende Publikumsreaktion verpufft.

Und nicht nur derartige Bemühungen trüben die Dramaturgie, sondern auch eine generelle narrative Inkonsequenz: Einige Kandidaten werden mit Homestory und O-Ton von Freunden oder der Familie vorgestellt, andere sind nur mit kurzem Steckbrief präsent und wieder andere werden mit einer Handkamera bei der Vorbereitung auf den Auftritt gefilmt – dass diese Einstellung nicht Kandidaten-Cam heißt, ist auch alles. Anfangs greift Popstars außerdem auf für die Sendung ungewohnte Elemente zurück: Immer wieder werden die größten Castingpannen in DSDS-Manier zwischengeblendet. Bis auf die erwähnten Punkteverkrampfungen verläuft die Sendung dann allerdings reichlich unspektakulär weiter; auch die direkt angeschlossenen Recall-Entscheidung, obwohl sang- und klangvoll, verschwindet ohne Publikum in der Bedeutungslosigkeit – da können auch die neuen Mikrofone, mit denen einzelne Stimmen aus dem Quartett herausgezogen werden können, nicht viel retten.

Im Endeffekt mag das neue Konzept der Mutter aller Castingshows, wie D! nicht müde wird zu betonen, nicht so recht greifen. Der Funke springt nicht über, die Show ist nicht rund, die Euphorie der durchaus unterhaltsamen Jury für den Zuschauer kaum nachvollziehbar. Es bleibt zu hoffen, dass die Sendung sich getreu dem Arbeitstitel „Der Weg ist das Ziel“ noch steigert. Übrigens: Statt dem Bände sprechenden Arbeitstitel hat ProSieben die zehnte Staffel dann doch Popstars goes Ibiza genannt – zu mehr Ehrlichkeit war man in München wohl nicht in der Lage.

Popstars goes Ibiza, donnerstags um 20:15 Uhr auf ProSieben

04. Juli 2012
Kein Kommentar

Glööckler, Glanz und Gloria, VOX

„Glööckler, Glanz und Gloria“: German TV has been rickrolled

Harald Glööckler, dieser zur Kunstfigur stilisierte Urschwabe, Einzelhandels-kaufmann, QVC-Teleshopping-Ansager, zweimalige Let‘s Dance-Moderator und selbsternannte Modedesigner, will bei VOX Einblicke in sein Privatleben geben. Produzierte man zu diesem Zwecke einst eine Reportage oder Dokumentation, setzt man den Zuschauern heute Personality-Dokus vor und verkauft inszenierten PR-Müll als das echte Leben des Protagonisten. Oder diffamiert, im schlimmsten Fall, den Protagonisten als realitätsfremdes Medienopfer. Glööckler hat sich für erstere Variante entschieden und präsentiert sich dem deutschen Fernsehen seinem selbstgewählten Ruf entsprechend: Glööckler beim Botoxspritzen, Glööckler in der Badewanne, Glööckler auf der Couch sitzend, Glööckler im Bett, Glööckler in der Sauna, Glööckler, Glanz und Gloria.

Auch wenn es so scheint: Privat ist daran gar nichts, denn der Mensch Glööckler bleibt unter der aufgesetzten Maskerade des Paradiesvogels, dem zweifelhaften Verlangen nach unbedingtem internationalem Anspruch, unter den heuchlerischen Stiefelleckereien von Designern, Busenfreunden und persönlichen Assistenten verborgen. VOX zeigt eine Pseudowelt voller Klunker, Kitsch und Klamauk, in der sich Glööckler bewusst als Karikatur bewegt. Es ist sein gutes Recht, sich den Medien als aufgesetzte Tucke anzubiedern, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen oder sogar mit voller Überzeugung hinter all dem zu stehen, was er zu verkörpern vorgibt.

Und natürlich sind Personality-Dokus immer ein Stück weit von der Selbst-inszenierung des Protagonisten geprägt, aber eine gute Personality-Doku lässt den Zuschauer auch hinter die Fassade schauen – in respektvollem Maße entweder subtil oder gesteuert vom Protagonisten. Wenn der Protagonist das nicht leisten kann oder will, gehört er nicht ins Fernsehen. Ohne ein einziges ernstzunehmendes Interview, ohne Worte zu der durchaus bewegenden Geschichte Harald Glööcklers und ohne einen wirklich privaten Moment aufzunehmen, ist Glööckler, Glanz und Gloria ein bizarres PR-Stück in einer ganzen Reihe bizarrer PR-Stücke des privaten Fernsehens – ein langweiliges noch dazu. Das ist nicht peinlich für Glööckler, sondern für VOX. Denn der Sender setzt seinen Zuschauern schamlose Product Placement-Kost vor, die unter dem Deckmantel der Personality-Doku nichts anderes macht als für Glööckler zu werben. Ich habe mich verarscht gefühlt. Und das lag nicht an Glööckler.

Glööckler, Glanz und Gloria, immer dienstags um 20:15 Uhr bei VOX

02. Juli 2012
Kein Kommentar

Ab durch die Mitte, Sat.1

„Ab durch die Mitte“: Das vielleicht erfrischendste Quiz der Welt

Michael Schanze hatte eine, Jörg Pilawa hat aktuell eine, Joko und Klaas haben hin und wieder mal eine und Thomas Gottschalk hätte sicher gerne eine, sollte er bei RTL gefeuert werden: eine Quizshow. Das Genre, das öfter totgesagt wurde als das Musikfernsehen, ist einfach nicht kleinzukriegen. Vielleicht liegt es daran, dass die Spieleformate so herrlich variabel einsetzbar sind: Die Öffentlich-Rechtlichen beschäftigen mit Quizformaten ihre Sportmoderatoren in Dürreperioden, die Finanzhaie von ProSieben können Stefan Raabs hundertsiebte Vertrags-verlängerung immerhin mit Blick auf das abendfüllende Megaspektakel Schlag den Raab tolerieren und sogar als langweiliger Lückenfüller im quotengeplagten Vorabendprogramm taugt das Genre hervorragend – gewinnen Studentin Lisa oder Oma Hedwig eben nur ‘nen Fuffi statt der üblichen Million.

Besonders hervorgetan im Bereich der Quizshows hat sich in den vergangenen Jahren Sat.1. Weniger die unregelmäßigen Formate mit Johannes B. Kerner, vielmehr aber Sendungen wie Mein Mann kann haben die öde Spiellandschaft belebt und lehren gruseligen ARD-Sauriern das Fürchten. Nach der Primetime wird bei Sat.1 jetzt der Vorabend mit einer Quizshow ausgestattet: Ab durch die Mitte – Das schnellste Quiz der Welt läuft werktags um 18:30 Uhr vor dem unsäglichen push und verspricht rasanten Rätselspaß. Moderiert wird das Format von Newcomer Daniel Boschmann – ein Name, der selbst aufmerksamen Fernseh-zuschauern nichts sagen wird. Wohnt man in Guxhagen, Bruchköbel oder hat sogar das Glück, in Darmstadt oder einer anderen Metropole Hessens zu leben, kennt man Boschmann aber womöglich aus dem Morgenmagazin von YOUFM.

Und so funktioniert das schnellste Quiz der Welt: Ein Hauptspieler und zehn Gegner, die Gewinnsummen zwischen einem und 4000 Euro repräsentieren, kämpfen um 50.000 Euro und darum, den Hauptspieler aus dem Rennen zu werfen – um selbst zum Hauptspieler um die Gewinnsumme zu werden. Der Clou: Alle elf Spieler stehen auf Falltüren, die sie bei falschen Antworten aus dem Spiel und in den Studiokeller befördern. Per Zufallsprinzip wählt der Hauptspieler hinter-einander einen Gegner aus der Zehnerrunde aus. Abwechselnd gilt es dann, relativ einfache Begriffe in bewährter Lückentexttradition zu erraten. Vom Tier, das im Zoo gerne mal auf einem Bein herumsteht – häufig in Pink (FLAMINGO) bis zum Bereich hinter der Konzertbühne (BACKSTAGE) kann so ziemlich jedes Wort vorkommen.

Zum Rätseln hat der jeweilige Kandidat genau 20 Sekunden lang Zeit; der Spieler in der Mitte besitzt außerdem drei Joker, mit denen er unliebsame Fragen an den Gegner weiterreichen kann. Eine Spielrunde dauert so lange, bis einer von beiden den Suchbegriff nicht nennen kann: Errät der Hauptspieler den richtigen Begriff nicht und hat keine Joker mehr, ist er aus dem Spiel und der Kandidat aus dem Gegnerpool heimst erspieltes Geld und den Platz in der Mitte ein; steht der Gegner auf dem Schlauch, geht das Spiel mit dem nächsten Kandidaten aus der Runde weiter. Erst wenn alle zehn Gegner besiegt sind, erhält der Hauptspieler die 50.000 Euro. Im Laufe des Spiels kann dieser aber auch einen Deal mit Boschmann eingehen und das bereits erspielte Geld mit nach Hause nehmen.

Das klingt gut – und das ist auch tatsächlich gut. Daniel Boschmann merkt man seine Erfahrung als Radiomoderator an, er punktet wortgewandt ohne Dreistigkeit, treibt das Spiel höflich aber bestimmt voran und hält sich nur selten mit Smalltalk auf – den er im Vergleich zu vielen anderen Kollegen allerdings sogar beherrscht. Mit einfachem Spielprinzip, spaßigen Kandidaten und einer guten halben Stunde Sendezeit macht Ab durch die Mitte alles richtig und punktet mit purem Spielspaß und guter Laune. Bloß die dreifachen Zeitlupenwiederholungen der Falltüropfer passen nicht ganz ins rechte Bild des schnellsten Quiz der Welt. Aber geschenkt: Wer‘s kurz und schmerzlos mag, kann mit Ab durch die Mitte tatsächlich glücklich werden – das vielleicht erfrischendste Quiz der Welt punktet mit Witz, Charme und Boschmann.

Ab durch die Mitte – Das schnellste Quiz der Welt, montags bis freitags um 18:30 Uhr bei Sat.1